Ein Buch, das tiefer greift, als es zunächst den Anschein hat

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barbarasbuecherbox Avatar

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Kya wurde von allen verlassen.
Nachdem ihre Mutter in den Krokodillederschuhen am Ende der Straße verschwunden ist, folgten ihr alle von Kyas Geschwistern, bis nur noch sie selbst und ihr Vater übrig sind. Doch der könnte schlechtere Gesellschaft kaum sein. Enttäuscht, weil er ihre Mutter in ihr sieht, lässt er sich kaum blicken und so muss sich die siebenjährigen Kya selbst durchbringen.
Die Natur als Mutter, die Möwen als Geschwister und den Marsch als Lehrer wird aus Kya eine menschenscheue junge Frau. Irgendwann jedoch öffnet sie ihr Herz für andere Menschen, um der nagenden Einsamkeit in ihrem Herzen zu entfliehen.
Doch wenn man sein Herz öffnet, dann nicht nur für Freundschaft und Liebe, sondern auch für den Schmerz.

Das Buch benötigt seine Zeit, um beim Leser anzukommen, denn Kya bleibt – auch während eines Großteils des Romans – sehr distanziert. Nun kann man sagen, dass dieses Stilmittel hervorragend zu der zurückgezogenen und menschenscheuen Kya passt. Das stimmt auch, doch dadurch fällt es dem Leser – der, sowie ich, sich ein so einsames Dasein kaum vorstellen kann – schwer, Kya gern zu haben.
Dieses Gefühl begleitete mich auch durch das ganze Buch.
Was ich jedoch fühlte war Mitgefühl. Denn Kya scheint kaum Glück in ihrem Leben zu haben. Kaum vorzustellen ist es, dass einen die eigene Mutter verlässt, zurücklässt in den Händen eines Trinkers, vor dem sie selbst geflohen ist. Dass es ihr alle von Kyas Geschwistern gleichtun, ohne Kya selbst mitzunehmen, scheint da nur kaum weniger traurig. Die Gesellschaft schließt sie aus, verurteilt sie aufgrund ihrer ärmlichen Verhältnisse – sie hat weder Strom noch fließend Wasser in ihrer Hütte und lebt vom Verkauf gesammelter Muscheln.
Dass einem beim Leser dabei nicht die Seele vor Trauer übergeht liegt an der fehlenden Nähe zur Protagonistin.

Was man dem (zugegeben hervorragend geschriebenem) Buch vorwerfen kann, sind die Figuren, denn diese sind – obwohl liebens- oder hassenswert – teilweise sehr schablonenhaft. Wir haben den gefühlskalten Grobian, den sensiblen Schwarm, der Fehler macht und die (aufgrund ihrer Hautfarbe) Außenseiter des Dorfes, die auf Kyas Seite stehen.

Doch im Angesicht dessen, dass das Buch mit einer mitreißenden Geschichte aufwartet, die mich zwar langsam, dann aber vollends packte, ist das nur ein kleiner Wermutstropfen, denn auch nach dem Schließen verbleibt dieses Gefühl im Herzen, in der Seele des Lesers, das einen nur dann und wann überkommt. Doch wenn es da ist, diese Sehnsucht nach dem Buch – auch, wenn es bereits beendet ist -, weiß man, dass man einer wunderbaren Geschichte folgen durfte, die einem sowohl die schlechten als auch die guten Seiten des Lebens gezeigt hat.

Man muss sich nur darauf einlassen.