Natur und Mord - "Das Marschmädchen"

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mel.e Avatar

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"Der Gesang der Flusskrebse" ist ein weiteres Highlight meines Lesejahres 2020. Der Roman entwickelt gleich zu Beginn einen echten Sog, da er emotional und dramatisch aus der Kindheit Kyas berichtet. Diese entwickelt sich trotz Einsamkeit und vielen Verlusten zu einer reifen jungen Frau. Ich bin fasziniert von dieser bildlichen Darstellung eines Menschen und deren Einheit mit der Natur. Klar ist, das die Marsch mit all ihren Kreaturen niemals enttäuscht und für Kyas Lebensunterhalt sorgt. Menschen enttäuschen indes sehr und es bricht mir das Herz, als Kya sich in einen Mann verliebt, der es nicht verdient hat, von ihr geliebt zu werden. Lug und Trug kommen nur durch Zufall zum Vorschein und wieder zerbricht ihre kleine Welt, die sich lediglich nach Halt und Geborgenheit sehnt.
Die Story beginnt im Jahr 1952, als Kyas Mutter ihren Koffer packt und die Familie verlässt, ohne einen Blick zurück. Das Leben in der Marsch ist hart und Kyas Vater sehr gewalttätig und ein Trinker. Das Leben was er seiner Frau versprochen hat, endet in Armut und vielen Nöten. Die Geschwister verlassen nach und nach das Elternhaus und Kya bleibt mit ihrem Vater zurück. Kya entwickelt relativ schnell einen großen Überlebenswillen und reift dadurch. Sie schafft es zu überleben.
Die zweite Ebene die hier großen Raum einnimmt ist der Tod von Chase Andrews, dessen Tod auf einen Mord hinweist. Hat Kya, das Marschmädchen etwas mit seinem Tod zutun? Alles deutet darauf hin und dennoch könnte es auch ein Unfall gewesen sein. Klar ist, das Chase Kya übel mitgespielt hat und ihr wieder einmal das Vertrauen in die Menschen geraubt hat.
Wunderschön finde ich, das Kya ihren Weg geht und dabei eine natürliche Einheit mit der Natur bilden kann. Einige Menschen sind ihr wohlgesonnen und unterstützen sie mit Kleidung und Nahrung, auch ihr einsames, verletztes Herz erhält so ein kleines Stück weit Geborgenheit.
"Der Gesang der Flusskrebse" ist ein wirklich etwas ganz Besonderes und meiner Meinung nach verdient ein Spiegel Bestseller. Mir fiel der Roman schon mehrfach im Internet auf, ich las viele positive Stimmen und überlegte nicht lange, als das E-Book zu einem Schnäppchenpreis zu erwerben war. Das Buch blieb nicht lange ungelesen, da mich sehr interessiert hat, was es mit dem außergewöhnlichen Titel auf sich hat und ob auch ich mich von diesem zunächst harmonisch wirkenden Cover, dessen Story dann doch eine ganz andere Sprache spricht, überzeugt werden kann.
Das ruhige Cover zeigt die Schönheit der Marsch, wobei dieser nur einen kleinen Anteil nimmt, da die Story gewaltig und definitiv sehr ansprechend erzählt wird. Ich möchte definitiv eine Leseempfehlung aussprechen, da mich "Der Gesang der Flusskrebse" emotional sehr herausgefordert hat. Ich litt mit Kya als kleines Mädchen, ich litt mit Kya als Teenager und ich litt mit Kya, als sie zur Frau heranreift. Ich hätte sie hier und da gerne geschüttelt, denn als sie sich in Chase verliebt, erscheint sie mir blind vor Liebe und sieht nicht, das sie nur Zeitvertreib ist, wobei ich mir nicht erklären kann, warum Chase das Muschelhalsband bis zum Ende getragen hat. Manche Dinge bleiben unaufgeklärt, was für den Charme welches dieser Romans ausstrahlt, nicht störend erscheint.