Tiefgründig und gefährlich

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natascha Avatar

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Kya ist sechs Jahre alt, als ihre Mutter die Familie verlässt und vor ihrem gewalttätigen Ehemann flieht. Nach und nach verlassen auch ihre vier älteren Geschwister die kleine Hütte im Marschland und Kya bleibt mit ihrem Vater allein zurück. Sie ist scheu wie ein junger Fuchs und fühlt sich der Marsch näher als den Menschen, aber auf ihre Art gelingt es ihr, mit dem brutalen Mann zu überleben, ohne den sie, wie sie weiß aus dem Marschland geholt werden würde. Die Möwen und Reiher werden mehr und mehr zu ihrer Familie und auch wenn sie nie ganz über den Verlust ihrer Familie hinwegkommt, findet sie Geborgenheit in der Natur, die sie umgibt.
Kya wird zum Marschmädchen, über das die Bewohner des nahe gelegenen Dorfes Barklwy Cove tuscheln und das sie als fremd und eigenartig empfinden. Auch ihr Vater verschwindet schließlich und Kya lernt völlig allein zu überleben, sucht nach Muscheln, um Lebensmittel und Benzin für ihr Boot zu kaufen. Und doch ist da jemand, dem sie nicht vollkommen gleichgültig ist. Ein Junge, der sie schon von klein auf kennt und ihr helfen will versucht, ihr Vertrauen zu gewinnen. Es gelingt ihm, sich ihr zu nähern und er ist es schließlich, der ihr Lesen und Schreiben beibringt und ihr erlaubt, die Dinge, die sie im Sumpf beobachtet und Worte zu fassen und ihre Sammlungen aus dem Marschland zu beschriften. Tate ist der erste Mensch, den Kya wieder an sich heranlässt.
Doch dann passiert ein Mord in Barkley Cove und vieles deutet darauf hin, dass der Ermordete und Kya etwas miteinander zu tun hatten. Sie gerät in Verdacht und bald sind die Einwohner von ihrer Schuld überzeugt.
Schon nach den ersten Seiten wusste ich, dass dieser Roman mich in seinen Bann schlagen würde. Es war manchmal beinahe schmerzhaft zu lesen, wie einsam Kya sich fühlte, aber auch schmerzhaft schön, wieviel Gutes sie ihrem Leben in der Marsch abgewinnen konnte. Die Beschreibungen des Marschlandes waren so wunderbar, dass man das Gefühl hatte, mit Kya in ihrem Boot durch die Kanäle zu fahren. Es ist immer etwas ganz Besonderes, wenn man so sehr mit einem Charakter mitfiebert, seine Gefühle selbst zu spüren und zu hoffen, dass es ein gutes Ende gibt. Delia Owens Sprache ist niemals übertrieben, eher bleibt sie sachlich und schildert die Vorgänge, aber gerade dadurch ist ihr Erzählstil so intensiv und fesselnd. Über dieses Buch werde ich vermutlich mein ganzes Leben lang immer mal wieder nachdenken.