Wo die Flusskrebse singen

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rosecarie Avatar

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Kya lebt weit entfernt von der Stadt im Sumpf, in der Marsch, abgeschnitten in der Natur. Ihre Familie hat sie verlassen, einer nach dem anderen, und schnell muss das junge Mädchen lernen, alleine für sich zu sorgen. Hin und wieder kommt sie in Kontakt mit der sogenannten Zivilisation, mit Menschen, die ihr Gutes wollen und Menschen, die nichts Gutes im Sinn haben. Auf nichts und niemanden kann sie sich verlassen, nur die Einsamkeit ist ihre stetige Begleiterin.
Als der beliebte Goldjunge der Stadt im Sumpf stirbt, sind sich alle einig: das Marschmädchen hat Chase ermordet. Seit Jahren gibt es Gerüchte, dass sich Chase auf Kya eingelassen haben soll und nun ist er tot. Sind die Gerüchte wahr? Doch welche Motive soll das scheue, schüchterne Mädchen aus dem Marsch haben, um so etwas Furchtbares zu tun?

Diese Geschichte wird sehr unaufgeregt erzählt und ist dennoch keine Sekunde lang langweilig. Die Perspektiven wechseln je nach Bedarf, aber meistens wird aus Kyas Perspektive erzählt. Der Schreibstil ist malerisch, poetisch und detailverliebt, aber nicht ausschweifend und kommt ganz ohne Längen aus. Die Autorin lässt uns bildgewaltig teilhaben an der Schönheit der Natur, lässt uns die Welt durch Kyas Augen sehen und sie sieht die Welt anders. Wir begleiten Kya als junges Mädchen und dürfen sie aufwachsen sehen. Mit dem Verlust ihrer Eltern und Geschwister, wird die Natur zu ihrer Familie und sie lernt, alleine klarzukommen.

Es treten immer wieder Menschen in ihr Leben und manche bleiben, wenn auch im Hintergrund, und unterstützen Kya auf ihre Art. Die Figuren - sowohl Kya als auch die Nebenfiguren - habe ich alle ins Herz geschlossen. Naja, außer die, die ich gehasst habe :D Aber das sollte so sein ^^

Ganz langsam werden wir Teil der Geschichte, Teil von Kyas Leben, werden hineingesogen in das Schicksal des Marschmädchens und sind emotional stark involviert. Denn die Geschichte zieht sich über viele Jahre und wir sind dabei, wenn sie lacht, wenn sie weint, bei allen Höhen und Tiefen - und es gab viele Tiefen. Sie erlebt Verluste, Ausgrenzung, wird schikaniert, benutzt und gedemütigt. Und trotzdem verliert Kya nicht ihre Zuversicht, ihre Stärke und auch nicht ihre Liebe zu den Menschen und der Natur. Denn es gibt auch Menschen, die zu ihr stehen.

Am Ende musste ich echt losheulen. Ob vor Wut und Trauer oder vor Erleichterung darf ich natürlich aus Spoilergründen nicht verraten. Aber es hat mir nochmal klar vor Augen geführt, wie fest ich Kya ins Herz geschlossen habe. Ich hatte das Gefühl, sie seit ihrer Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter begleitet zu haben. Als hätte ich einen mir nahe stehenden Menschen über ein ganzes Leben begleitet. Ich glaube nicht, dass ich mich einer Buchfigur schonmal so nahe gefühlt habe. Beeindruckend. Was dieses Mädchen, diese junge Frau alles mitmachen musste... es bricht einem das Herz. Aber das Ende ist rund und ich habe das Buch zufrieden zugeklappt.

Die Autorin hat ihre Botschaften, aber sie hebt nicht den Zeigefinger, winkt nicht mit dem Zaunpfahl, sondern lässt uns eigene Schlüsse ziehen. Sie erzählt eine Geschichte über Resilienz, Überleben, Verlust und Einsamkeit, aber auch über Hoffnung, Liebe und Loyalität. Es ist die Geschichte des Marschmädchens Kya und es ist eine Geschichte, die berührt und sich zu lesen lohnt.