Die Suche nach den Bücherfrauen

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Listland. Anna will für ihren Podcast über Bücherfrauen die betagte Fenja Lorenzen in deren Heimat Sylt interviewen. Als sie bei deren Zuhause ankommt, ist die Tür zwar offen, aber es liegt nur eine Nachricht dort, dass Anna für kurze Zeit alleine sei. Am nächsten Tag kommt Fenjas Tochter Elisa, die ebenfalls mit ihrer Mutter verabredet war. Die beiden Frauen sorgen sich nun doch um den Verbleib der Älteren. Obendrein hat ein Gewitterregen das Dach beschädigt und einige der antiquarischen Bücher müssen dringend umgelagert werden. Dabei lernt Anna auch Elisas Bruder Eric kennen. Beim Aufräumen finden sie ein altes Tagebuch und erfahren etwas über das mysteriöse Verschwinden von Fenjas Schwester Martje.

Gabriella Engelmann beginnt mit diesem Roman die Dilogie um die Bücherfrauen von List. Am nördlichsten Punkt Deutschlands wohnt Fenja Lorenzen, deren Bücherregale an die Grenzen ihrer Kapazität gekommen sind. Damit Anna und Elisa ungestört das Familiengeheimnis entdecken können, lässt die Autorin die betagte Dame verreisen, ohne das Ziel zu verraten. Exakt so beginnen Romane auf zwei Zeitebenen. Als auch noch ein Gewitterregen den Bücherschatz zu zerstören droht, ist Eile geboten. Beim Lesen fiebert man mit, ob die drei – Elisas Bruder hilft mit – es noch rechtzeitig schaffen. Dieses eine alte Buch enthält nun Hinweise auf Fenjas Schwester, die ebenfalls von jetzt auf gleich verschwand. Das Rätsel beginnt im Jahr 1937 mit einer innigen Liebe, die durch die politischen Entwicklungen nicht lange ausgelebt werden darf.

Vergangenheit und Gegenwart verknüpft durch Bücher
Der Roman zeigt durch seine zwei Zeitebenen einen tiefen Einblick in das Leben auf Sylt. Man lernt die Familie von Fenja in der Vergangenheit und Gegenwart kennen. Die veränderte Gesellschaft ist ebenfalls nachfühlbar beschrieben. Vor 85 Jahren galten andere Regeln, wenn sich zwei Menschen verliebten und nach 1933 nochmal andere. Der Bezug zum Buch ist jedes Mal gegeben. Es geht damals wie heute ums Miteinander und ums Loslassen. Während sich Anna damit arrangieren muss, ihre Tochter ins Leben zu entlassen, muss Fenja die Vergangenheit loslassen, um im Jetzt zu leben. Die Entwicklung der Figuren lässt sich wunderbar beobachten. Natürlich gibt es auch jede Menge Wendepunkte in der Geschichte, die mich buchstäblich ans Buch gefesselt haben.

Das ungekürzte Hörbuch wird von Silke Buchholz eingesprochen. Es hat eine Dauer von rund zehn Stunden. Ihre Stimme lässt die Figuren lebendig werden. Dabei variiert die ausgebildete Schauspielerin mit den Tonlagen, sodass deutlich hörbar ist, welche Generation gerade spricht. Gemäß der Dramaturgie des Romans transportiert sie die emotionale Intensität. Als Hörer fühlt man sich mitten im Geschehen.

Gabriella Engelmann verbindet in Der Gesang der Seeschwalben geschickt Gegenwart und Vergangenheit und entfaltet eine atmosphärische Geschichte über verlorene Liebe, familiäre Geheimnisse und die Magie der Bücher. Während Anna und Elisa Fenjas Verschwinden aufklären wollen, stoßen sie auf ein Rätsel, das bis ins Jahr 1937 zurückreicht und die Familiengeschichte in Frage stellt. Die raue Schönheit Sylts bildet dabei die perfekte Kulisse für diesen fesselnden Roman. Es ist ein gefühlvoller Auftakt der Dilogie, der neugierig auf die Fortsetzung "Der Duft des Strandhafers" macht.