Spannend konstruiert

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Das Wort Panik kommt von „Pan, dem Gott des Waldes“, der es „liebte, die Menschen zu täuschen und ihre Sinne zu verwirren“. „Wer in Panik gerät, macht sich den Wald zum Feind. Wer ruhig bleibt, ist sein Freund.“ (S. 61)

„Der Gott des Waldes“ von Liz Moore beginnt mit dem Verschwinden von Barbara in einem Feriencamp in den Adirondack Mountains. Das Camp gehört Barbaras Eltern, deren Sommerhaus sich ebenfalls auf dem Gelände befindet, wo sie während der Saison Gäste begrüßten und Feste feierten - bevor ihr damals achtjähriger Bruder verschwand. Der Bruder, den Barbara nur von Fotos kennt.

Jetzt ist Barbara ebenfalls verschwunden und nicht nur ihre Familie erlebt ein schmerzhaftes Deja-vu, auch die nahe gelegene Kleinstadt und ihre Bewohner werden wieder an die Ereignisse von damals erinnert. Mit dem Such-Team kommt Judy, eine junge, ehrgeizige Polizistin zum Camp, die versucht gegen das weibliche Rollenbild ihrer Zeit anzukommen. Während der Ermittlungen erhält das Bild von Barbaras reicher Familie zunehmend Risse und scheinbar jede Spur führt zum Fall des vermissten Bruders, 14 Jahre zuvor. Beide Kinder schien eine besonders innige Freundschaft mit T.J., der burschikosen, leicht misanthropischen Rangerin, und ihrem mittlerweile an Demenz erkranktem Vater zu verbinden.

„Der Gott des Waldes“ ist ein bis zuletzt überzeugender und subtil konstruierter Thriller, der in den Wäldern der Adirondack Mountains spielt, die metaphorisch dafür stehen, wie nah „Gefahr und Schönheit“ beieinander liegen und dass vor allem hinter den schönen Fassaden, seien es Menschen oder Häuser, die meisten Geheimnisse liegen. Liz Moore blickt in ihrem Buch in die Abgründe eines durch und durch patriarchalen Systems. Ihre Hauptprotagonisten, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, sind fast alle weiblich und jede von ihnen kämpft in unterschiedlichen Situationen und mit unterschiedlichem Erfolg mit den immer gleichen Rollenbildern und um die eigene Selbstbestimmung.
Zu Beginn braucht es etwas Geduld, um in die Story zu finden. Der permanente Wechsel zwischen den Protagonisten, die wiederum zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her springen, fordert teilweise die Geduld und Konzentration der Leser:innen. Etwas Unterstützung bietet dabei die Timeline, die ab dem zweiten Teil des Buches (insgesamt sind es sieben Teile) jedes Kapitel begleitet. Eine einfache Karte vom Camp auf der Innenseite des Einbands hilft ebenfalls, die komplexen Ereignisse besser zu sortieren. Ab dem zweiten Teil verdichtet sich die Handlung, Nebenschauplätze tauchen auf, Machtverhältnisse werden beleuchtet, die Stimmung wird bedrohlicher. Das Buch wird dann zum regelrechten Pageturner und ich konnte es kaum aus der Hand legen, sodass sich die rund 580 Leseseiten weg lesen wie ein Taschenbuch.