Spannung im Übergangsbereich von Roman und Krimi

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gkw Avatar

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Beworben wird das Buch mit dem Zitat "ein literarischer Thriller der Spitzenklasse" (The Guardian). Ein Thriller ist es für mich nicht, sondern eine Mischung aus Roman und Krimi.
Liz Moore führt langsam ohne großes Tempo in die Geschichte ein, nimmt sich viel Zeit, um die Charaktere vorzustellen und das sind überwiegend Frauen. Wir treffen auf Mutige, Eigenwillige und Verstörte. Alle sind vielschichtig und authentisch dargestellt.
Erzählt wird in kurzen Kapiteln mit wechselnden Perspektiven und auch auf verschiedenen zeitlichen Ebenen. Da Person und Zeit (später sogar mit Zeitstrahl) den Kapiteln vorangestellt sind, ist man gut orientiert. Durch die wechselnden Perspektiven bekommt man einen gründlichen Einblick in Gedanken und Gefühle der Personen, auch in ihre Beobachtungen, in ihre Erinnerungen oder die Lügen, die sie verbreiten.
Durch den schnellen Wechsel ist das Lesen kurzweilig, die Spannung steigt und wird gehalten, insbesondere weil es immer wieder Überraschungen gibt, die etwaige Theorien des Lesers hinfällig werden lassen. Falsche Fährten, neue Details, permanent muss man gedanklich wieder neu sortieren.
Das Buch hat fast 600 Seiten und es sind viele Themen in der Haupterzählung und den Nebensträngen aufgenommen. Wir treffen auf psychische Erkrankungen, Alkoholismus, Frauenrollen, Unterdrückung von Frauen, Vernachlässigung, soziale Ungleicheit. Eine sehr große Rolle spielen Machtstrukturen und Machtmissbrauch reicher Leute, insbesondere Männer. So enthält diese Familiengeschichte auch viel Gesellschaftskritik. Alles ist stimmig eingearbeitet und nicht überladen.

FAZIT: eine gut geschriebene Familiengeschichte im Übergangsbereich zwischen Roman und Krimi, die viel Sozialkritik enthält.