Unfassbar spannend und berührend zugleich...

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kascha Avatar

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In ihrem neuesten Roman „Der Gott des Waldes“ entführt Liz Moore die LeserInnen in die dichten Wälder der Adirondack Mountains im Sommer 1975. In einer cleveren Mischung aus Thriller und Gesellschaftsroman werden die Abgründe sozialer Ungleichheit, familiärer Geheimnisse und der oft so schwierige Kampf um Selbstbestimmung gezeichnet.

Die Geschichte beginnt mit dem Verschwinden der 13-jährigen Barbara Van Laar aus einem Feriencamp, das ihrer wohlhabenden Familie gehört. Bemerkenswert ist, dass bereits 14 Jahre zuvor ihr Bruder Bear in denselben Wäldern spurlos verschwand. Dieses erneute Unglück wirft zahlreiche Fragen auf: Ist es ein tragischer Zufall, oder steckt mehr dahinter? Während die Suche nach Barbara beginnt, entfaltet sich ein weites und fast undurchdringliches Netz aus Geheimnissen, Machtmissbrauch und unausgesprochenen Wahrheiten und egozentrischen Motiven.

Das Besondere hier ist, dass die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird, darunter Familienmitglieder, Camp-BetreuerInnen, ErmittlerInnen und EinwohnerInnen der nahegelegenen Kleinstadt. Alle sind miteinander verwoben. Dieser multiperspektivische Ansatz ermöglicht es den LeserInnen, die Ereignisse aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und ein umfassendes Bild der Geschehnisse zu erhalten, das sie sich allerdings Schritt für Schritt selbst zusammensetzen müssen. Die Zeitsprünge zwischen 1961 und 1975 fügen der Handlung zusätzliche Tiefe hinzu und enthüllen nach und nach die Hintergründe der Familie Van Laar.

Zentral im Roman sind Themen wie soziale Ungleichheit, Machtmissbrauch und die Suche nach individueller Freiheit. Die Van Laars repräsentieren eine wohlhabende Elite, deren Einfluss und Geheimnisse das Leben vieler Menschen - auch derer mit nur indirekten Verbindungen - beeinflussen. Moore zeigt eindrucksvoll, wie Privilegien und Machtstrukturen das Verhalten und die Entscheidungen der Charaktere prägen. Gleichzeitig wird der Wert von Freundschaft und Solidarität in schwierigen Zeiten hervorgehoben und damit gezeigt, dass wahre Freundschaften keine Standesgrenzen kennt. Eine weitere Besonderheit, die es auf alle Fälle hervorzuheben gilt, sind einige wirklich sehr starke weibliche Charaktere, die in dieser Zeit sicherlich eher nicht die Regel darstellen. Eine junge Ermittlerin, die sich in einem maskulin dominierten Feld behauptet, und Barbara, die gegen die Standesgrenzen ihrer Familie immer wieder aufbegehrt. Beide agieren mit einer Stärke, ja fast schon einer Wucht, die sich die Leserinnen gern abschauen können für ihren Alltag ;)

Neben den Personen und Beziehungen im Roman ist auch das Setting - die Wälder der Adirondacks - mit einer solchen Detailgenauigkeit beschrieben, dass man als LeserIn das Gefühl hat, selbst durch das dichte Unterholz zu kriechen und am Lagerfeuer auf einer Lichtung zu sitzen. Die Beschreibungen der Natur schaffen eine dichte, fast greifbare Atmosphäre, die die Spannung der Handlung unterstreicht, ohne die Geschwindigkeit durch umständliche Beschreibungen zu unterbrechen. Moores Sprache ist dabei klar und präzise, was den Lesefluss fördert und die Emotionen der Charaktere authentisch vermittelt.

„Der Gott des Waldes“ ist ein fesselnder Roman, der geschickt Elemente eines Thrillers mit tiefgründigen gesellschaftlichen Themen verwebt. Liz Moore gelingt es, den Leser von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln und zum Nachdenken anzuregen. Für alle, die Geschichten mit Spannung, Tiefe und atmosphärischer Dichte schätzen, ist dieses Buch eine klare Empfehlung.