Nichts anderes als perfekt...

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
parden Avatar

Von

Vierzig glückliche Ehejahre: Für die vier erwachsenen Sorenson-Schwestern sind ihre Eltern ein nahezu unerreichbares Vorbild – und eine ständige Provokation! Wendy, früh verwitwet, tröstet sich mit Alkohol und jungen Männern. Violet mutiert von der Prozessanwältin zur Vollzeitmutter. Liza, eine der jüngsten Professorinnen des Landes, bekommt ein Kind, von dem sie nicht weiß, ob sie es will. Und Grace, das Nesthäkchen, bei dem alle Rat suchen, lebt eine Lüge, die niemand ahnt. Was die vier ungleichen Schwestern vereint, ist die Angst, niemals so glücklich zu werden wie die eigenen Eltern. Dann platzt Jonah in ihre Mitte, vor fünfzehn Jahren von Violet zur Adoption freigegeben. Und Glück ist auf einmal das geringste Problem.

Die Überschrift der Rezension ('Nichts anderes als perfekt') soll nicht mein Empfinden hinsichtlich dieses Romans betiteln, sondern den Versuch der vier Sorenson-Schwestern, ihren Eltern nachzueifern. Die leben die große Liebe seit vierzig Jahren - wenn auch mit Hochs und Tiefs - und für jede einzelne der Schwestern scheint nichts weniger als ein eigenes perfektes Leben tolerierbar zu sein. Da ist Scheitern vorprogrammiert...

In diesem Jahr scheine ich zielsicher zu amerikanischen Familiengeschichten zu greifen, wenn diese auch in unterschiedlichen sozialen Schichten spielen. Familie Sorenson gehört für mich dem Mittelstand an, der Vater Arzt, die Mutter nach abgebrochenem Studium über Jahrzehnte hinweg Vollzeit-Mutter und Hausfrau. Die ältesten Schwestern heirateten erfolgreiche Männer - Wendys Mann ist bereits verstorben, Violet tritt in die Fußstapfen ihrer Mutter und gibt ihren Beruf als Anwältin auf, um nur noch für ihre beiden Söhne da zu sein. Liza befindet sich in einer Beziehung mit einem depressiven Mann, der seine Tage im Bett oder vor dem PC verbringt, ist zudem schwanger von ihm und weiß nun nicht was sie tun soll. Und Grace spielt weit weg von ihrer Familie dieser etwas vor und verstrickt sich immer weiter in Lügen.

Jeder hat sich mit seinem eigenen Status arrangiert, als Jonah auftaucht - ein fünfzehnjähriger Junge, der damals von Violet gleich nach seiner Geburt zur Adoption freigegeben wurde. Die älteste Tochter der Sorensons, Wendy, hat ihn ausfindig gemacht und treibt ihn nun, nachdem seine Adoptiveltern tödlich verunglückt sind, ihrer eigenen Familie zu. Obschon Jonah angesichts seiner Biografie sehr ruhig und gelassen erscheint und auch die Pubertät ihn nicht wie einen üblichen Teenager erscheinen lässt, bringt er das statische Gleichgewicht der Familie zunehmend ins Wanken.

Stillschweigende Arrangements unter den Familienmitgliedern funktionieren plötzlich nicht mehr, zugewiesene bzw. angenommene Rollen werden hinterfragt, das bequeme, wenn auch leicht resignative 'So ist es eben' zeigt Risse in der Fassade. Durch Jonah bekommt jeder in der Familie einen ganz anderen Spiegel vorgehalten als gewohnt, er sorgt auf seine oft naive Art für Irritationen, und das ein oder ander Fettnäpfchen, in das er zielsicher tritt, löst einiges an Veränderungen aus.

Die Erzählung wechselt laufend die Perspektive, so dass man als Leser alle Charaktere zunehmend besser kennenlernt. Durch den zudem steten Wechsel von Gegenwart und Rückblicken in die Vergangenheit treten einige Charakterzüge noch deutlicher hervor, werden ansonsten womöglich befremdliche Verhaltensweisen erklärlicher. Dabei kam mir allerdings keine der Personen wirklich nahe, obgleich mich die ein oder andere Situation durchaus emotional berührte.

Der leicht zu lesende Schreibstil treibt den Leser zügig durch die Seiten, was angesichts der stolzen 720 Seiten auch gut ist. Zwar gibt es angesichts der vielen Charaktere auch zahllose Dramen, die in der Summe vielleicht etwas viel erscheinen, doch weist der Roman im Grunde wenig Highlights auf. Die Erzählung lässt sich gut weglesen, ich genoss es auch durchaus, den Personen immer wieder zu begegnen, doch hätte eine Straffung des Geschehens dem Roman m.E. gut getan. So gab es doch immer wieder einmal die ein oder andere langatmige Passage.

Alles in allem eine typisch amerikanische Familiengeschichte, bei der sich mir der Kern der Aussage wohl nicht wirklich erschließen wollte, die ich aber auch nicht ungerne gelesen habe. Nett. Mehr war es für mich aber auch nicht.


© Parden