Ein - eigentlich - berühmter Mann

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readaholic Avatar

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Eigentlich müsste man den Namen Andrew Haswell Green zumindest schon einmal gehört haben, handelt es sich dabei doch um den „Vater von Greater New York“, ohne den es keinen Central Park, kein Metropolitan Museum of Art und keine New York Public Library gäbe. Und doch ist der Name so gut wie keinem geläufig, zumindest war dies so, bis Jonathan Lee begann, sich für Greens Geschichte zu interessieren.
Andrew Green wurde ausgerechnet an einem Freitag, dem 13. vor seinem Haus in der New Yorker Park Avenue erschossen. Mit diesem Mord beginnt der Roman. Zu diesem Zeitpunkt war Green ein angesehener und wohlhabender Bürger. In Rückblenden erzählt Jonathan Lee von Greens Leben, seiner Kindheit auf einer Farm, der zunehmenden Verarmung der Familie und Greens Anfängen als Lehrling in New York, der die Nächte auf einer wanzenverseuchten Matratze verbringen muss. Seine Begegnung mit einem reichen Anwalt, dessen große Leidenschaft Bücher sind, verändert sein Leben. Mit Fleiß und eisernem Willen schafft es Green, in die Reihen der New Yorker High Society aufzusteigen.
Die persönliche Geschichte von Andrew Green fand ich sehr interessant. Trotzdem hatte ich mit der Lektüre Schwierigkeiten, da ich sie stellenweise als zäh und äußerst ausschweifend empfand. Lee liebt es, Schachtelsätze zu bilden, die sich manchmal über eine halbe Seite hinziehen und bei denen man am Ende nicht mehr weiß, um was es am Anfang ging. Oft handelt es sich dabei um Nebensächlichkeiten, wirre Gedanken und Assoziationen. Möglicherweise handelt es sich um Ausschnitte aus Greens Tagebücher, die Jonathan Lee im Zuge seiner Recherchen für das Buch studiert hat, dem Lesefluss waren diese Absätze jedoch nicht zuträglich. Der Humor, der mir in den ersten Kapiteln des Romans gut gefallen hat (so sagt Green an einer Stelle, der Schnauzbart des Bürgermeisters sehe aus, als sei er auf der Suche nach einem warmen Platz zum Sterben auf der Oberlippe durch die Landschaft gekrochen), blitzt leider viel zu selten auf. Stattdessen finden sich Sätze wie „Im besten Fall gab es das Gefühl, nah dran zu sein, von unterschwellig quälenden möglichen Verbindungen, vagen Ideen, welche die Aussicht darauf eröffneten, mithilfe eines Netzwerks mäandernder Wege in einem wilden Garten zertretener Könnte-sein-Pflanzen, blühender Möglichkeiten und Vielleichts ein paar sonnenbeschienen Dinge im Gras zu finden.“ Anstrengend! Insofern weiß ich nicht so recht, wie ich diesen Roman bewerten soll. Mit der begeisterten Meinung eines Kritikers in „The Guardian“, es handle sich bei „Der große Fehler“ um den besten amerikanischen Roman des Jahres, stimme ich allerdings nicht überein.