Greater N. Y. – Elefanten und Abwasserkanäle

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An einem Freitag, dem 13. November 1903, wird Andrew Haswell Green, ein älterer Mann, vor seiner Haustür erschossen. Inspector Mc Clusky ermittelt. Da es viele Zeugen gibt, wird der Täter schnell gefasst. Aber irgend etwas stimmt hier nicht. Die New Yorker Gesellschaft ist aufgeregt, und es gibt vielleicht nicht nur den einen vermeintlichen Täter. Doch: Wo ist „Der große Fehler“?

Cover und Schreibstil:

Das Cover von „Der große Fehler“ gefällt mir ausgesprochen gut. Ich hatte das Glück, dass mir das Buch als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt wurde, aber das Cover wäre mir auch im Buchladen sofort aufgefallen. Mitten auf dem Cover ist ein blauer Elefant zu sehen. Was hat ein Elefant mit New York zu tun? Das zeigt sich im Laufe des Buches! Was bezüglich des Covers jedoch unbedingt erwähnenswert ist, weil man es nur bei genauem Hinschauen erst wahrnimmt, ist, dass der Elefant mit Landkarten übersät ist. Auch, was es damit auf sich hat, ergibt sich aus dem Buch.

Jonathan Lees Schreibstil ist besonders. Man muss sich ein Stückweit mit dem Schreibstil des Autors anfreunden, aber wenn man sich daran gewöhnt hat, zum Beispiel an die vielen Schachtelsätze, wird man mit sehr erfreulichen sprachlichen Raffinessen belohnt, sie sich einem jedoch oft erst beim zweiten Lesen erschließen. Der Central Park hat viele Eingangstore, und die Namen dieser Tore sind auch die einzelnen Kapitelüberschriften, eine grandiose und sympathische Idee, finde ich. Die wörtliche Rede ist in diesem Buch nicht kenntlich gemacht. Ich musste mich daran zwar erstmal gewöhnen, aber eigentlich fand ich es dadurch sehr angenehm zu lesen.

„Der große Fehler“ bedient sich zweier Zeitebenen. Auf der einen Zeitebene geht es darum, was nach dem Tod des Hauptprotagonisten geschah, auf der anderen Zeitebene erfährt man alles über seine Kindheit und Jugend. Jonathan Lee macht auch vor Themen wie Homosexualität und Rassismus nicht Halt, aber er behandelt sie sozusagen zeitgemäß.

Ich schreibe nur selten etwas über Klappentexte, aber in diesem Fall ist leider festzustellen, dass der Klappentext hier andere Erwartungen weckt, denn der Mord und die Ermittlungen dazu spielen bei diesem Buch winzige Nebenrollen.

Fazit:

„Der große Fehler“ zeigt uns die Welt in New York um 1900. Früher wie heute ist das Leben nicht immer gerecht und auch nicht immer logisch. Menschen machen Fehler und unterliegen Missverständnissen. Diese Fehler und Missverständnisse versuchen die Menschen dann wieder schnell aus der Welt schaffen. Doch nicht immer gelingt dies. In "Der große Fehler" geht es eigentlich nicht um einen großen Fehler, sondern um viele kleine und auch große Fehler!

Schon nach wenigen Seiten ist klar: „Der große Fehler“ ist kein Kriminalroman im klassischen Sinne. Aber man kann das Buch auch nicht zum Roman herunterstufen, denn dies würde diesem Meisterwerk der Literatur nicht gerecht werden!

Auch wenn das Lesen des Buches im Großen und Ganzen ein wenig holprig war, habe ich das Buch von vorne bis hinten genossen. Allein schon die Recherche für dieses Buch muss ein Riesenaufwand gewesen sein.

Besonders betonen möchte ich, dass man, abgesehen vom Eintauchen in diese wunderbare Zeit, ganz nebenbei viel über die Entstehung des heutigen New Yorks aus architektonischer Sicht erfährt. Was vielleicht im Allgemeinen nicht so bekannt ist, ist, dass es damals heftigen Diskussionen zur Gestaltung New Yorks gab:

„Ist es nicht besser, hundert kleine private Parks zu haben, als einen großen in der Mitte, der öffentliches Geld verschlingt …?“ (S. 314)

Leseempfehlung:

Ich vergebe für „Der große Fehler“ vier Sterne und empfehle dieses Buch allen, die historische Krimis mögen und sich für die Geschichte von New York, insbesondere für die Architektur, interessieren.

Zum Schluss meiner Rezension hier noch einen echten „Gänsehautabsatz“ aus diesem Buch:

„Aber die letzte Erkenntnis des Lebens ist, dass keine Zeit bleibt. Es bleibt keine Zeit. Sie zerrinnt mit jedem Lächeln.“ (S. 288)

Die Dauerleserin