Kein Krimi, eher eine Lebensgeschichte

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Heute, am 23.03.2022 erscheint im Diogenes Verlag endlich „Der große Fehler“. Endlich – weil ich schon so gespannt auf andere Meinungen und Rezensionen bin. Das Cover ist typisch schlicht gehalten, hauptsächlich weiß mit einer Abbildung. Diese zeigt auf den ersten Blick einen Elefanten. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass der Elefant aus der Struktur eines Stadtplans besteht – durch die gerade Anordnung habe ich gleich an New York gedacht. Ich finde die Gestaltung grandios, weil New York als Schauplatz der Handlung tatsächlich eine zentrale Rolle im Buch spielt.

Die Hauptfigur des Buches ist Andrew Green, der Mitte des 19. Jahrhunderts lebt. Er wird wegen eines Vorfalles von seiner Familie ausgegrenzt und nach New York geschickt, wo er als Kassierer arbeiten soll. Er wird an einem Freitag dem 13. erschossen, im Alter von 83 Jahren. Die Tat scheint völlig sinn- und grundlos zu sein. Die Polizei steht vor einer Menge Fragen, denn wer sollte Andrew erschießen und aus welchem Grund? Doch nicht nur die Polizei interessiert sich für die Hintergründe des Mordes, sondern auch ein Journalist und ein zwielichtiger Detektiv versuchen, Antworten zu finden. Bei ihren Recherchen durchleuchten sie die Geschichte von Greens Leben. Ein Mann, der mit dem einsamen Leben in New York haderte und daraufhin neue Institutionen in der Stadt ins Leben rief. Seine eigenen Wünsche hingegen hielt er im Verborgenen und schirmte seine Gedanken teilweise regelrecht ab.

Der Einstieg ins Buch gestaltete sich genauso spannend, wie der Klappentext erahnen lies. Jonathan Lee hat es schon mit dem ersten Satz des Buches geschafft, meine Neugier zu wecken. „Zum letzten Anschlag auf das Leben von Andrew Haswell Green kam es 1903 auf der Park Avenue.“ Mich packte sofort die Frage, warum es wohl schon mehrere Anschläge auf sein Leben gegeben hat. Da wird es ja sicherlich „Gründe“ geben. Ich war also gespannt auf Greens Leben und natürlich auf die Hintergründe dieses letzten Anschlages.

Im Gegensatz zum Inhalt, konnte mich der Schreibstil nicht sofort überzeugen. Er wirkte auf mich wechselhaft, teilweise etwas zusammengeschustert, als wären mehrere Autoren am Werk gewesen. Auch von New York als Schauplatz hatte ich mir mehr erhofft. Mir fehlte der Tiefgang bei den Umgebungsbeschreibungen, sodass die Atmosphäre der Stadt für mich nicht fühlbar war.

Greens Homosexualität ist ein zentrales Thema in der Geschichte, was für mich (gerade in der damaligen Zeit) sehr interessant zu lesen war. Für mich war der Fokus sehr gut gewählt, denn die „beruflichen“ Errungenschaften von Green sind weithin bekannt – mich hat gerade das Private interessiert. Die Hintergründe seines Todes waren hingegen nicht so spannend, wie ich sie mir erhofft hatte, aber dennoch sehr tragisch. Mich hat das Buch mit einem bedrückten Gefühl zurückgelassen, aber das ist nicht negativ gemeint.

Aufgrund von Klappentext und erstem Kapitel, hatte ich bei „Der große Fehler“ einen Krimi mit historischem Bezug erwartet. Die Umstände von Greens Tod stehen aber eher im Hintergrund des Todes. Es handelt sich vielmehr um eine Darstellung seines Lebens und Einblicke in die damalige Zeit, in der er das New Yorker Stadtbild sehr geprägt hat.

Für mich war „Der große Fehler“ insgesamt unterhaltsam, trotz der genannten Kritikpunkte. Wer Interesse an dem Leben von Andrew Green hat, wird sicherlich viel Freude mit dem Buch haben.

– Meine Bewertung: 3,5 von 5 Sternen –