Absolut lesenswert

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maitre Avatar

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"Der große Riss" ist ein bemerkenswerter historischer Roman, der seit Trumps imperialistischem Säbelrasseln noch einmal in einem ganz neuen Licht erscheint.
Die Geschichte spielt im ausgehenden 19. Jahrhundert. Quer durch das Land Panama wird mit viel menschlichem Kraftaufwand ein Kanal gegraben, der die beiden Ozeane miteinander verbinden soll. Vor allem für die USA ist diese Verkehrsverbindung von großem Interesse, weil so die Waren und Postsendungen viel schneller von der West- an die Ostküste und umgekehrt transportiert werden können.
Der Roman zeichnet sich dadurch aus, dass anhand verschiedener Figuren die unterschiedlichen Sichtweisen dargestellt werden. Da sind einmal die einheimischen Panamaer, über deren Köpfe hinweg dieses Großprojekt durchgesetzt wird. Dann gibt es die vielen Gastarbeiter, die auf der Suche nach Arbeit, gutem Lohn und einem besseren Leben die schwere Arbeit auf der Kanalbaustelle am Laufen halten. Schließlich kommen noch die reichen und einflussreichen Amerikaner vor, die als Journalisten, Unternehmer, Aufseher und Forscher in Panama gestrandet sind.
Der Roman wird abwechselnd aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Dadurch erhält man einen guten Einblick, welche Missstände es gibt und was die Menschen dazu motiviert, allen Widrigkeiten zum Trotz durchzuhalten und sich zu wehren, auch wenn es ein aussichtsloser Kampf ist.
Obwohl es mehrere Figuren gibt, die genauer beschrieben werden, hält die Autorin die Fäden sicher in der Hand, sodass man sich beim Lesen nicht verliert. Irgendwann kreuzen sich die Wege der meisten Figuren, um dann wieder getrennt zu werden.
Etwas irreführend finde ich, dass im Klappentext mit einer Liebesgeschichte geworben wird. Diese ist nur ein Detail am Rande. Viel interessanter sind die Lebensbedingungen, die geschildert werden. Es gelingt der Autorin, die verschiedenen Atmosphären einzufangen, die Hitze, die Schwüle, die Regengüsse. Auch gesellschaftliche Probleme werden nicht ausgeklammert, etwa die rassistische Denkweise und die Perversion, die damit einhergeht.
Sprachlich ist der Roman angenehm zu lesen. Die Autorin Christina Henriquez hat ein Meisterwerk geschaffen, das für mich jetzt schon eines der besten Bücher des Jahres ist!