Grandiose Fortsetzung der Rabenschatten-Saga

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marionhh Avatar

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2. Band der Rabenschatten-Saga

Die Geschichte um Vaelin Al Sorna geht weiter. Im Austausch für den Thronerben der Köngislande wird Vaelin dem Alpiranischen Reich ausgeliefert und muss auf den Meldeneischen Inseln gegen deren besten Kämpen, den Schild, kämpfen – und besiegt ihn. Er erhält die versprochene Freiheit, kehrt zu seinem - jetzt neuen - König zurück und will eigentlich nur in Frieden leben. Dem Krieg und seinem Orden hat er abgeschworen. Doch der König hat anderes mit ihm vor, er schickt ihn als Herr des Turmes in die unwirtlichen Nordlande. Der neue König jedoch ist schwach und kein großer Politiker, und so wittern die Feinde der Königslande die große Chance das Reich zu erobern – bestausgebildete Truppen des Volarianischen Kaiserreiches überziehen das Land mit Krieg und hinterlassen eine Spur der Zerstörung und der Gewalt, und geheimnisvolle Gestalten mit dunklen Fähigkeiten wollen die Reiche unterjochen und die Alleinherrschaft erlangen. Verräter des Alpiranischen Reiches verbünden sich mit dem Feind und erhalten dafür Land, andere Städte verteidigen sich bis zum Tod. Vaelin hört das Lied des Blutes und zieht in die Königslande, um seinen Freunden und Verbündeten zu helfen…

Famose, hochdramatische und äußerst spannende Fortsetzung der Rabenschatten-Saga, die genauso fesselt wie der erste Band „Das Lied des Blutes“. Die Geschichte um Vaelin hat nichts von ihrer Faszination verloren, und der Autor versteht es meisterhaft, den Spannungsbogen aus dem ersten Band mit hinüber zu nehmen und den Leser erneut in eine fremde Welt zu entführen. Die Strukturen der Welt, die Ryan erschaffen hat, sind verzwickt, die Kenntnisse über fremde Kulturen, Länder, Sprachen und Religionen, die der Leser im ersten Band erworben hat, werden hier noch deutlich vertieft. Daher ist es dringend angeraten, den ersten Band gelesen zu haben, nicht nur versteht man sonst die Hintergründe nicht, es ist auch schlichtweg ein super spannendes Buch!

So ist auch die Fortsetzung wieder ein echter Pageturner, den man kaum aus der Hand legen kann, jedoch muss man aufmerksam lesen, denn die verschiedenen Handlungsstränge sind recht komplex, ebenso die vielschichtigen Charaktere. Beim Aufbau bleibt der Autor seiner Linie weitgehend treu, er unterteilt wieder in fünf Bücher, wobei das fünfte sehr kurz ist, und es steht erneut vor jedem Buch als eine Art Prolog Verniers Bericht, dem Geschichtsschreiber des Alpiranischen Reiches, der in Gefangenschaft geraten ist und als Sklave eines volarianischen Generals unter ständiger Todesangst lebt. Hier bekommt man zusätzliche Details zu den einzelnen Szenen geliefert. Gut finde ich, dass nunmehr auch anderen Figuren deutlich mehr Spielraum eingeräumt wird und sich die Handlung nicht fast ausschließlich auf Vaelin konzentriert. Neu ist hierbei, dass die einzelnen Kapitel der jeweiligen Bücher dieses Mal nicht nur aus der Sicht Vaelins, sondern auch aus der Frentis‘, seinem Waffenbruder aus dem 6. Orden, Revas, eine von fanatischen Priestern ausgesandte Attentäterin, und Prinzessin Lyrnas, für mich neben Vaelin der packendste Charakter der Reihe, erzählt werden. Allen wird in etwa gleich viel Raum gegeben, und die verschiedenen Perspektiven geben tiefe Einblicke in verschiedene Gedankenwelten und Gefühle. Ein bisschen vermisst habe ich mehr Informationen über Vaelins Brüder Nortah und besonders Caenis, einen Charakter, den ich im ersten Buch ziemlich interessant fand und der hier leider nur noch sporadisch auftaucht.

Für mich bleibt Vaelin zwar die interessanteste Figur – bei ihm laufen alle Fäden zusammen, er ist der großartige Held, der keiner sein will, der Anführer, dem bedingungslos alle folgen, und er hat seine Gabe, das Lied des Blutes zu lesen, perfektioniert. Die Gabe hilft ihm oftmals, die richtige Entscheidung zu treffen, Feinde zu besiegen oder vermeintliche Gegner von seinen Zielen zu überzeugen und zu Verbündeten zu machen. Dennoch haben mich Frentis, den ich vom ersten Buch gar nicht so sehr auf der Rechnung hatte, und die anderen Perspektivgeber sowie einige Nebenfiguren gleichermaßen fasziniert. Frentis ist ein ebenso zerrissener Charakter wie Vaelin, ein hochgelobter und stahlharter Kämpfer, willenlos gemacht durch eine dunkle Macht, dennoch voller Skrupel und Zweifel. Ein geborener Anführer, dem alle folgen, der sich aber seinem Anführer sofort auch wieder unterordnen kann. Von den weiblichen Figuren finde ich nach wie vor Prinzessin Lyrna unglaublich faszinierend, eine starke, schöne und hochintelligente Person, dazu mutig und geradeheraus, die sich nahezu jeder Situation anpassen kann und selbst zur Anführerin wird, und zwar nicht aufgrund ihrer hohen Geburt, sondern weil sie eine starke Persönlichkeit ist und Durchsetzungswillen hat, dazu einen unbedingten Überlebenswillen und die Fähigkeit, andere von ihren Zielen zu überzeugen. Reva als zweite starke weibliche Figur macht eine Entwicklung durch, wird von der religiös-fanatischen, blind glaubenden Attentäterin zur Kriegerin und ebenfalls zu einer Anführerin und Entscheiderin, der sogar altgediente erfahrene Kämpen folgen, eine Entwicklung, die zugegebenermaßen angesichts ihrer Erziehung und Jugend allzu schnell von statten geht und mitunter etwas unglaubwürdig wirkt. Auf dem Schauplatz tummeln sich des Weiteren teils skurrile, teils furchterregende Gestalten, von denen ein jeder „Gute“ einem ans Herz wächst und jeder „Böse“ wunderbarerweise seine mehr oder minder gerechte Strafe erhält. Das ultimativ Böse jedoch muss erst noch besiegt werden…

Natürlich gibt es auch hier wieder jede Menge Schlachtgetümmel, Krieg, Gewalt, verletzte Seelen und Körper und Tausende Leichen, dennoch ist es wie schon im ersten Band nicht einfach eine Aneinanderreihung von kriegerischen Auseinandersetzungen, auch wenn der Beschreibung derselben recht viel Raum gegeben wird. Der Leser erhält Einblicke in das Seelenleben von Herren und Sklaven, von Herrschern, Dämonen, Rittern und einfachen Soldaten, Prinzessinnen und Huren, und allesamt bahnen sie sich ihren Weg durch diese unwegsame Zeit. Der Leser erfährt viel über Freundschaft und Loyalität, Hingabe und Liebe, verblüffende Fähigkeiten und Magie, dunkle und helle, und manch einer entwickelt sich vom Feind zum Freund oder zum Mitstreiter. Insofern ist dieses Buch, wie überhaupt die ganze Reihe, keine leichte Kost, schon gar keine locker-flockige Mainstream-Fantasy-Unterhaltung, auch wenn sie alles hat, was ein guter Fantasy-Roman braucht. Dazu sind die Themen um Politik und Religion, die Verflechtungen der Protagonisten untereinander und die Handlungsstränge zu komplex. Dies jedoch hält den Spannungsbogen aufrecht und als Leser versinkt man einmal mehr in Ryans neu erschaffener, überaus faszinierender Welt, die den großen Fantasy-Reihen in nichts nachsteht.

Fazit: Eine mehr als gelungene Fortsetzung des ersten Bandes der Rabenschatten-Saga, die die Handlung konsequent fortführt und die Charaktere weiter entwickelt. Das edle Hardcover-Buch kommt erneut in farbenprächtigem Einband daher, und zum besseren Verständnis und zum Nachschlagen liefert er uns auch wieder Karten in den Innenseiten des Einbandes und vor den einzelnen Büchern sowie ein umfangreiches Namensverzeichnis mit Verbindungen der handelnden Personen untereinander. Ein gut zu lesendes, toll geschriebenes und komplexes Heldenepos, farbenprächtig, fantasievoll und mit vielschichtigen Charakteren ausgestattet. Der geschaffenen Welt merkt man des Autors Detailverliebtheit und seine Mittelalter-Affinität an. Natürlich gibt es auch hier wieder ein offenes Ende, Vaelin und seine Mitstreiter, Freunde, Ordensbrüder und sogar ehemalige Gegner, haben zwar verlustreich gegen fast übermächtige Elitesoldaten des Volarianischen Kaiserreiches gewonnen, jedoch hat der Drahtzieher im Hintergrund sein Endziel, die Eroberung des Alpiranischen Reiches, noch nicht erreicht. Vaelin erleidet den Verlust seiner Gabe, und Lyrna wird von einem mysteriösen jungen Mann gerettet. Und so fiebern wir erneut dem Erscheinen des nächsten und letzten Bandes, im Original als „Queen of Fire“ bereits im Juli dieses Jahres erschienen, hier in Deutschland entgegen, wo diese grandiose Trilogie ihren Abschluss findet.