Poetische Familiengeschichte in schwieriger Zeit

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
matheelfe Avatar

Von

Minna lebt auf einem Hof in den Masuren. Wir schreiben das Jahr 1938. In der dörflichen Idylle werden die ersten Anzeichen einer neuen Zeit deutlich. Doch auch die Vergangenheit hat Wunden hinterlassen, die man totgeschwiegen hat. Viele sind stolz darauf, endlich richtige Deutsche zu sein. Da lernt Minna außerhalb des Dorfes den Vogelkundler Gwodin kennen. Er ist Pole, älter als sie und verheiratet. Doch langsam bahnt sich eine zarte Beziehung zwischen beiden an.
Die Autorin hat in dem Buch versucht, die Geschichte ihrer Großmutter zu erzählen. Besonders gefallen hat mir die poetische Sprache. Bei der Beschreibung der Landschaft und der Tierwelt spielt die Autorin mit verschiedenen Adjektiven. Sie verwendet treffende Metapher. Viele Personen dagegen bleiben etwas blass.
Gut gelungen finde ich auch die Darstellung des Dorf- und Stadtlebens. Sympathie und Antipathie richten sich nach Herkunft. Zugezogene haben es schwer.
Minna ist jung. Politik interessiert sie nicht. Sie wünscht sich ein Leben außerhalb des Dorfes und kämpft um ihre Liebe. Doch die Zeit lässt diese Liebe nicht zu. Das wird sie schmerzlich zu spüren bekommen. An vielen Stellen zeigt sich, wie naiv Minna die politische Lage einschätzt.
Die Zeitverhältnisse sind sehr gut dargestellt. Der Autorin gelingt es, in wenigen Sätzen auf Missstände aufmerksam zu machen. So wird eine polnische Frau in der Apotheke nicht mehr bedient. Mit Kriegsbeginn verschärft sich die Situation.
Das Buch erzählt am Beispiel eines konkreten Schicksals ein Stück Zeitgeschichte. Es ist der Autorin insgesamt gut gelungen, die Entwicklung aufzuzeigen, auch wenn an der einen oder anderen Stelle Fragen offen blieben. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass Minna wenig hinterfragt hat.
Das Buch ist in vier Abschnitte eingeteilt. Vor jedem Abschnitt befindet sich ein schwarzweiß Bild, das zum Inhalt des Textes passt. Dem folgt ein Auszug aus dem Blog der Autorin, den sie über ihre Reise in die Masuren, also in die Vergangenheit ihrer Familie, geschrieben hat. Damit erhalte ich als Leser einen Einblick in die heutige Zeit. Das hat mir sehr gut gefallen.
Das Buch bekommt von mir eine Leseempfehlung. Es zeigt deutlich, dass in einer Diktatur zuerst die Menschlichkeit stirbt und Unwissenheit nicht vor Strafe schützt.