Ein Mord im Bergischen Land

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Im Bergischen Land wird auf einem Anwesen die brutal ermordete Gutsbesitzerin Ilse Röder aufgefunden. Die wunderschöne und charmante Frau war vor ihrer Heirat Kommissarin bei der Weiblichen Polizei in Köln, besaß ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden und arbeitete gerne mit Kindern und Jugendlichen. Doch Ilse hatte auch eine dunkle Vergangenheit, und ihre Geheimnisse kommen nur sehr langsam ans Licht.

Friederike Matthée mag die Arbeit als Polizeiassistentin bei der Weiblichen Polizei in Köln. Aufgrund des aktuellen Personalmangels wird sie von ihrer Vorgesetzten mit der Vernehmung der Mordverdächtigen beauftragt. Friederike sieht darin eine willkommene Gelegenheit, sich in ihrem Job zu bewähren.

Franziska Wagners Akte weist ein langes Vorstrafenregister auf. Die Einundzwanzigjährige wurde von einem Hofknecht mit der Tatwaffe in Händen neben der Leiche entdeckt, sämtliche Indizien sprechen für ihre Schuld. Doch Friederikes Intuition rät ihr, auch in andere Richtungen zu ermitteln. Ein schwieriges Unterfangen für eine junge Polizeiassistentin, die keine Erfahrungen aufzuweisen hat und deren Vorgesetzte sich rasch auf Franziska als Täterin festgelegt haben. Als plötzlich der Mord an drei britischen Kampffliegern aufgedeckt wird, beordert die Royal Military Police den Ermittler Richard Davies nach Deutschland. Mit seiner Unterstützung verfolgt Friederike verschiedene Spuren. Und plötzlich erweist sich dieser Fall noch weit komplexer, als es zunächst den Anschein hatte.

Beate Sauer wählt als Schauplatz ihres Kriminalromans das Bergische Land bei Odenthal, wo im Juni 1947 besagter Mord an Ilse Röder verübt wurde. Die Handlung konzentriert sich in erster Linie auf die Zeit nach dem Kriegsende, wo die Protagonistin ihre Ausbildung bei der Polizei durchläuft. Die Lebensmittelrationierungen und die große Armut der Bevölkerung innerhalb der britischen Besatzungszone werden dem Leser anschaulich vor Augen geführt. Der Schreibstil der Autorin ist hervorragend. Beate Sauer erzählt in eindringlichen Worten, sehr flüssig und einnehmend. Sie führt den zu Beginn in die Handlung eingebrachten Spannungsbogen kontinuierlich bis zum Ende fort, und wartet mit einigen interessanten Fährten, aber auch mit Überraschungen auf. Der Fall, der zunächst ganz klar scheint, erweist sich als äußerst verwickelt und reicht tief in die Vergangenheit zurück. Das Polizeiliche Jugendschutzlager in der Uckermark mit ihren brutalen Bestrafungen und Erziehungsmethoden spielt eine wesentliche Rolle im Leben einiger handelnder Figuren. Sowohl die Protagonisten, als auch die Nebenfiguren dieses Buches wurden ausgezeichnet charakterisiert, sie wirken lebhaft und weisen hohe Authentizität auf. Friederike Matthée und Richard Davies wird die größte Aufmerksamkeit zuteil – die beiden ermitteln bereits in ihrem zweiten gemeinsamen Fall. Beate Sauer gewährt immer wieder kleine Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt ihrer beiden Protagonisten, sowohl auf privater, als auch auf beruflicher Ebene. Richard Davies erwies sich für meinen Geschmack als sehr vielschichtige Persönlichkeit. Seine ruhige Gelassenheit, seine Integrität und der etwas ungeschickte Umgang im zwischenmenschlichen Bereich machten ihn für mich zutiefst sympathisch und überzeugend. Seinen furchtbaren Erinnerungen an die Vergangenheit stehen großer Mut und starke Willenskraft entgegen. Er möchte keinesfalls zulassen, dass der Nationalsozialismus, der ihm bereits die Kindheit genommen hat, auch sein gesamtes weiteres Leben bestimmt. Um etwaige Spoiler zu vermeiden, werde ich auf Nebenfiguren, die eine bedeutende Rolle im Buch spielen, nicht näher eingehen. Trotz alledem möchte ich an dieser Stelle das kleine Waisenkind Elli Berneike anführen, derer Franziska Wagner sich angenommen hatte. Das kleine, zerlumpt gekleidete blonde Mädchen, das in einer Fabriksruine in Köln-Mühlheim hauste, hat mein Herz im Sturm erobert. Und zu meiner großen Freude weckte dieses Kind auch den Beschützerinstinkt von Friederike Matthée.

Fazit: „Der Hunger der Lebenden“ war ein bemerkenswerter Roman, der mich in die schreckliche Welt des Krieges und die Zeit danach entführte. An Friederikes Seite durfte ich ein wenig in den Alltag des Jahres 1947 eintauchen und die hoch interessanten Ermittlungen verfolgen. Aufgrund des ausgezeichneten Schreibstils, der überzeugenden Charaktere und des geschickt konstruierten Kriminalfalls würde ich dieses Buch auf jeden Fall als ganz großes Lesehighlight bezeichnen. Ich freue mich bereits auf weitere Werke dieser Autorin, die für mich eine grandiose Neuentdeckung darstellt.