Bavaria und der Zug der Zeit

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bavaria123 Avatar

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Der Inhalt
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laut Amazon / Buchcover

Alvin von Briest ist ein echter Preuße. Er fühlt sich den alten Traditionen seines Heimatlandes verpflichtet, auch wenn es ihm nicht immer leicht fällt. Auf Rat seines Freundes Otto von Bismarck entscheidet er sich sogar für eine Militärlaufbahn. Ganz anders sein Freund Paul Baermann. Paul stammt aus dem Münchner Bürgertum und ist ein Mann des Fortschritts. Seine einzige Liebe gilt der Eisenbahn. Bis er in Paris Louise Ferrand kennenlernt, die ihn mit ihrer Schönheit verzaubert. Doch Louise ist schon einem anderen versprochen - seinem besten Freund. Sie heiratet Alvin von Briest, der sie vor Hunger und Tod gerettet hat. Ihr Herz aber gehört Paul. Während in Berlin Barrikaden gebaut werden, die Industrialisierung ihren Lauf nimmt und sich Deutschland schließlich unter Bismarck eint, müssen Alvin, Paul und Louise in einem Jahrhundert der Gegensätze ihren Weg finden.
Berlin, Paris, München: die große historische Saga zur Bismarckzeit
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Meine Meinung
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Mal wieder muss ich mich zunächst einmal dem Äußeren des Buches widmen. Es kommt schon ziemlich dick daher…1056 Seiten machen erstmal Eindruck. Und dazu ein gelungenes Cover. Es ist zwar in einem leichten Dunstschleier versteckt, aber man erkennt doch deutlich die Eisenbahn und es kommt so ein wenig das Gefühl auf, man befindet sich zwischen Winter und dem nahen Frühling. Das Cover an sich ist sehr ansprechend finde ich. Und wenn man das Buch gelesen hat, weiß man auch, dass es wirklich zum Inhalt passend ausgesucht worden ist.

Schön finde ich die Landkarte, die im Umschlag zu finden ist. Sicher kenne ich einige der im Buch beschriebenen Orte, aber so hat man doch noch einmal einen schönen Überblick.

Dann begann ich also zu lesen. Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, die Seiten nicht in mehreren umzublättern. Denn das Papier, das genutzt worden ist, ist wirklich arg dünn. Mich als ehemalige Chorsängerin hat es an ein Gesangbuch erinnert. Sicher ist es gut, dass hierdurch das Buch nicht noch schwerer geworden ist, aber zum Umblättern ist es wirklich erstmal zumindest gewöhnungsbedürftig.

Der Roman beschreibt eine Zeit zwischen 1840 und 1871. Die Spielorte sind vor allem Berlin, München und Paris. Es handelt sich nicht nur um eine historische Abhandlung sondern ist auch eine tragische Liebesgeschichte mit einer Prise Romantik und einem emotionalen Dreiecksverhältnis.

Die Protagonisten sind zunächst Alvin von Briest, ein bodenständiger Mann, der von seinem Vater vom Erbe ausgeschlossen wurde und deshalb versuchen muss, sein Leben und sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Er trifft auf Paul Baermann, ein Träumer, der sich sehr für die Eisenbahn interessiert und eine mir unsympathische Schwester namens Lilly hat.
Dann gibt es da noch Louise Ferrand, eine starke Frau, deren Vater Selbstmord begangen hat – ein soziales Verbrechen zu der damaligen Zeit.
Erwähnenswert ist für mich dann noch eine Figur, die eigentlich nur eine Nebenrolle spielt. Aber der Sergeant „Broni“ Bronikowski ist einfach ein gefälliger, fast liebenswerter Typ, der mit seinem Berliner Dialekt, aber auch mit seiner herzlichen Art wirklich überzeugt. Allgemein sind die Charaktere wirklich lebensecht und interessant dargestellt.

Weitere Nebenfiguren, die aber den Zug der Zeit darstellen sind allem voran Otto von Bismarck, dessen politischer Aufstieg betrachtet wird, aber auch Henri Dunant als Gründer des Roten Kreuzes und auch August Borsig mit seinem Eisenbahnwerk.

Es werden viele Aspekte des entsprechenden Jahrhunderts angesprochen. Man erfährt einiges über den Aufstieg Preußens, dem Erfolg der Eisenbahn mit der ersten deutschen Strecke zwischen Nürnberg und Fürth, über die Revolution im Jahre 1848, die Bankenkrise, die damalige Entwicklung der Telekommunikation oder auch die Erfindung des Dynamits.

Der Schreibstil des Autors ist zum Glück sehr flüssig und angenehm, sonst könnte man so ein Werk gar nicht über diese Vielzahl von Seiten überstehen. Die gute und klare Gliederung in nicht zu lange Kapitel macht das Buch wirklich übersichtlich. Die Handlung ist lebendig und fesselt den Leser wirklich schnell. Ganz nebenbei nimmt man so auch als Geschichtsmuffel die historischen Ereignisse auf.

Aber Historienfans werden ganz sicher erkennen, welche gründliche Recherche der Autor betrieben hat. Er nimmt den Leser mit auf eine spannende Zeitreise, die mit den Quellenangaben zu einem lehrreichen Geschichtsunterricht wird. Im Anhang erklärt Richard Dübell dann auch die Fakten und was seiner Phantasie entsprungen ist.

Das Buch dürfte ein breites Publikum ansprechen.
Es ist eine Familiengeschichte mit Intrigen, eine berührende Liebesgeschichte mit Leid und Hoffnung, es beschreibt den industriellen Fortschritt mit den schlechten Bedingungen der betroffenen Arbeiterschicht, die Auseinandersetzung zwischen Preußen und Frankreich mit Hunger und Armut, es ist aber auch eine Biografie um Otto von Bismarck. An Gefühlen wird so ziemlich alles geliefert, Intrigen und Rache, Stolz, Ehre, Liebe, Leidenschaft, Zorn, Hass, Machtgier. Und auch eine Prise Humor fehlt nicht. Vor allem Männer dürften auch die militärischen sehr detailliert geschilderten Hintergründe interessieren, die für mich dann doch eine Nuance zu langatmig waren. Aber die Schilderungen sind wohl durchaus auch der wirklich exakten Recherche zuzuschreiben.

Bleibt als Fazit zu sagen, dass dieser Jahrhundertsturm ein Buch für eine breite Leserschaft ist und sich sicher erfolgreich zu den anderen Werken des Autors eingliedern wird.

Ich ziehe einen Stern wegen des Papiers und der mir zu ausführlichen Schilderung der militärischen Hintergründe und Vorgehensweisen ab, empfehle es aber durchaus für interessante Leseabende weiter.