Der Jahrhundert Sturm

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rebekkat Avatar

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Zunächst: was für ein Wälzer! Zwischenzeitlich taten mir die Arme weh vom Halten des Buches ;-) ABER es handelt sich hier um ein wirkliches spannendes, historisches Buch mit verzweigten Handlungssträngen, die alles bieten, um nicht langweilig zu werden.

Cover: Die Farben passen schön zusammen, ich denke, dass die Lok "Der Adler" ist, die erste in Deutschland rein dampfgetriebene Lokomotive, die am 07.12.1835 ihre erste Fahrt von Nürnberg nach Fürth aufnahm. In dem Buch hat gerade die Geschichte um die Eisenbahn schöne Einblicke gegeben.

Schreibstil: An einigen Sellen etwas ausufernd, aber immer gut verständlich, selten langweilig, dafür ist zwischen 1789 und 1914, im "spannenden Jahrhundert" auch richtig viel passiert.

In der Geschichte geht es um Geschiche. Einiges ist gut recherchiert, einiges zusammengedacht oder ausgedacht. Wir lernen Otto von Bismarck kennen, der mir zu kauzig beschrieben wurde, etwas zu derb für einen Adligen, aber das ist meine Meinung. Dann ist da Alvin von Briest, der nach dem Tod seines Vaters als zweiter Sohn leer ausging. Ihn mochte ich am liebsten, auch wenn ich das Ende, das Testament und sein wohl jahrelanges Wissen und Schweigen für nicht richtig halte - auch aus Liebe kann ich nicht alles zulassen!

Alvin hat einen Freund, Paul, und eine Frau, Louise, und tja, wie soll es anders sein, Drama gehört eben auch dazu, betrügen Louise und Paul Alvin, indem sie eben ein Verhältnis miteinander haben. Ganz fies fand ich, dass Louise nach ihrer Hochzeit "Je t'aime, Paul" sagte, da war sie bei mir komplett unten durch. Auch wenn zu damaligen Zeiten Ehen nicht immer aus Liebe geschlossen wurden: entweder haue ich ab oder ziehe das durch, meine Meinung.

Das französische Gefasel, das ab und an geschrieben da stand, war etwas anstrengend, denn ich habe keine Übersetzung bekommen - okay, ich habe es irgendwie verstanden. Zwar habe ich nur noch rudimentäre französische Sprachkenntnisse aus der Schule, aber sie haben gereicht.

Es geht um die französische Revolution, es geht um Krieg, um Stimmungen der damaligen Zeit, genauso wie um die gravierenden Fortschritte der Zeit. Das Militär wird nahegebracht, was ich als Soldat sehr amüsant fand, denn die Dienstgrade haben sich weitgehend geändert, es heißt heute z. B. Oberstleutnant, was viel schöner aussieht als Oberstlieutenant. Auch die Beschreibungen, was es heißt, Soldat zu sein, stolz und lieber im Krieg zu fallen, sodass die Ehefrauen stolz auf sie sind (S. 664 letzter Absatz) all dies ist befremdlich, gleichzeitig aber auch vor dem Hintergrund der Zeit verständlich - und manchmal wünsche ich mir nur ein wenig mehr Respekt für den Job, den meine Kameraden und ich täglich ausführen, denn auch wir riskieren unser Leben für alle Menschen in Deutschland!

Auch die damaligen Familien, deren Geheimnisse, das Aufwachsen mit preußischen Regeln fand ich beeindruckend. Moritz, der Sohn von Louise und Alvin ist gut beschrieben, wie er aufwächst, wie er Herrn Boettcher erzählt, das er seine Tochter Antonie liebt, wie er Otto "nacheifern" will l... Die ganzen Regeln sind schon faszinierend - und gut, dass so manches vorbei ist ;-)

Danke für das Nachwort! Da hat Richard Dübell nochmal beschrieben, was erdacht und was genauso oder ähnlich passiert ist und wo er seine Informationen her hat.

Fazit: Mann muss die militärischen/poliischen Hintergründe schon mögen, denn bei der Lektüre der 1045 Seiten stehen die klar im Vordergrund. Aufgelockert wird es wahrlich von den privaten Geschichten um Alvin, Louise, Paul, Lily, Otto, den Brüdern Flachat ... das Buch hat durchaus für jeden etwas und es lohnt sich auf jeden Fall!