Der Jahrhundertsturm

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elohym78 Avatar

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Alvin von Briest lernt nach dem Tod seines Vaters den jungen Otto von Bismarck kennen und schätzen. Denn dieser hilft ihm in der größten Not, als Alvin erkennen muss, dass sein Vater seinem älteren Bruder alles vermacht hat und er leer ausgeht. Dank Otto findet er einen neuen Weg, den er beschreiten kann. Dieser führt Alvin von Briest in den Militärdienst der Preußischen Armee.
Durch Zufall, oder besser gesagt Schicksal, lernt er den jungen Ingenieur Paul Baermann kennen, dessen einziger Lebenswunsch darin besteht, mit an der Eisenbahn bauen zu dürfen. Schnell entwickelt sich eine innige Freundschaft, die selbst die Liebe zu der gleichen Frau, der Französin Louise Ferrand, Kriege, Missgunst und viele Abenteuer nicht entzweien können.

Das Cover zeigt einen leeren Schienenstrang und daneben eine fahrende Lokomotive. Ein leichter Dunstschleier umgibt die winterlich anmutende Landschaft. Ich finde es sehr gut zum Inhalt des Buches gewählt, da es für mich den Aufbruch symbolisiert. Zum einen den Beginn des neuen Zeitalter der Industrialisierung und durch den Winter den Beginn des Frühlings. Ein besseres Bild hätte ich mir für das Buch nicht vorstellen können!

Für mich ist Richard Dübell ein absoluter Wortkünstler. Er vermischt tatsächliche geschichtliche Ereignisse mit fiktiven Personen und Handlungen, so dass die Grenze nicht mehr zu erkennen ist. Spannung und Lehrstunde halten sich die Waage, ohne dass es mir so recht bewusst geworden ist. Einzig durch eindringliche Schilderungen der politischen Lage und Einwürfe von Fakten und Daten lassen immer wieder einen Blick darauf zu, dass hier nicht einfach ein Roman geschrieben wurde, sondern es sich um ein Stück Deutscher Geschichte handelt.
Die Industrialisierung und der Bau der Eisenbahn sind ein großer Schritt in die Moderne. Nicht alles war gut, was Dübell auch unbarmherzig ans Tageslicht zerrt. Das Leide der Bevölkerung, die brutalen und teils unmenschlichen Arbeitsbedingungen zeugen von einer unglaublich harten Zeit. Elend überwiegt. Nur ein kleiner Teil, der Adel profitiert offensichtlich und lebt weiterhin in Saus und Braus. Doch der Kampf der Gleichstellung hat begonnen und lässt sich durch nichts aufhalten. Natürlich ist mir die ganze Zeit bewusst gewesen, wie sich die politische Lage entwickeln wird, aber trotzdem las ich das Buch voller Spannung und bangte um den Ausgang.

Ich weiß nicht, wie es Richard Dübell immer gelingt, seine Charaktere so lebensecht wirken zu lassen! Es ist schon fast unheimlich, wie schnell ich mich in die Protagonisten einfinden, mit ihnen lachen, weinen und einfach leben kann. Sie werden zu Begleitern, fast zu Freunden, deren Abschied mir am Ende des Buches richtig gehend weh tut.
Toll finde ich, wie leicht es dem Autor gelingt, seinen Protagonisten Leben einzuhauchen. Aus jeder Zeile spricht das Herzblut, welches er in sie investiert. Durch ihre Differenziertheit, bekommt das Buch quasi sein i-Tüpfelchen. Denn nicht nur eine spannende und interessante Handlung machen ein Buch zu einem interessanten Werk, erst durch die Charaktere wird es zu etwas Unvergesslichem.
Ich kann gar nicht sagen, wer mir am besten gefallen hat. Der bodenständige Alvin von Briest, der durch Enttäuschungen seinen Weg zum Militär gefunden hat; der Träumer Paul Baermann, für den es nur eins im Leben gibt: Die Eisenbahn; oder doch eher die starke Louise Ferrand, die zwischen diesen beiden außergewöhnlichen Männern steht und gerade dadurch ein schon fast unheimliches Gleichgewicht erzeugt.
Selbst die eher kleineren Nebenrollen wirken glaubhaft und authentisch.

Mein Fazit
Ein grandioses Werk!