Mit Volldampf voraus!!

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lesefee65 Avatar

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Der Autor Richard Dübell siedelt seine Geschichte im beginnenden 19. Jahrhundert an, als nach der napoleonischen Herrschaft in Europa die "alte Ordnung" in Frage gestellt wird, sich die Spannungen zwischen Fortschritt und Tradition sowie der politische Kampf zwischen Liberalismus und Konservatismus aufschaukeln und entladen.
Es ist eine Herausforderung, die geschichtliche Abfolge mit den sich dadurch ständig ändernden Lebenssituationen der Protagonisten zu verknüpfen.
Eigentlich schreibt Dübell eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, die sich in einer Dreierbeziehung zwischen den beiden Freunden Alvin von Briest und Paul Baermann zu Louise Ferrand ausdrückt. Beide Männer suchen ihre Stellung im Leben: Alvin durch eine Karriere beim Militär und Paul in der Herausforderung der Entwicklung des Eisenbahnverkehrs in Europa. Beide verlieben sich in Louise, die sie verarmt in Paris kennenlernen und der sie zutiefst verfallen. Durch viele Jahre hinweg entwickelt sich eine Beziehung, deren Arrangement für alle drei in Liebe ertragbar bleibt.
Die unerfüllte und zunehmend rachesüchtige Liebe Lily Baermanns zu Otto von Bismarck ist als Gegenpol zu betrachten. In ihr zeigt sich auch die tiefe Kluft zwischen gesellschaftlichen Konventionen und hartem Überlebenskampf von Menschen in einer Zeit, die rasend schnell auf ein neues Zeitalter zusteuert. Die politische Entwicklung Bismarcks fließt in den historischen Kontext mit ein. Den Schlusspunkt bildet das dramatische Ende der unglücklichen Liebe Lilys, das mit Spannung erwartet wird.
Dübell beschreibt die begeisternde Hoffnung von Menschen, durch die friedliche Nutzung der neuen technischen Errungenschaften eine Grundlage für ein gemeinsames Deutschland und auch Europa zu schaffen. Aber die Menschen und die Politik waren noch nicht bereit und zugleich die Kriegsgefahr zu groß. Man spürt zwar die Aufbruchsstimmung, die die wachsende Mobilität und Industriealisierung mit sich brachte, aber auch die zunehmende Verelendung der Menschen, die sich ihre Rechte noch erkämpfen mussten.
Mein Fazit: Ein über 1000-seitiger Roman zur Bismarckzeit, lebhaft und spannend geschrieben; ein wahrer "Jahrhundersturm", der mich gepackt und bestens unterhalten hat.