Politische und technische Entwicklung im 19.Jhdt - farbenprächtiges Panorama

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Kurzbeschreibung (Quelle: amazon)
Alvin von Briest ist ein echter Preuße. Er fühlt sich den alten Traditionen seines Heimatlandes verpflichtet, auch wenn es ihm nicht immer leicht fällt. Auf Rat seines Freundes Otto von Bismarck entscheidet er sich sogar für eine Militärlaufbahn. Ganz anders sein Freund Paul Baermann. Paul stammt aus dem Münchner Bürgertum und ist ein Mann des Fortschritts. Seine einzige Liebe gilt der Eisenbahn. Bis er in Paris Louise Ferrand kennenlernt, die ihn mit ihrer Schönheit verzaubert. Doch Louise ist schon einem anderen versprochen - seinem besten Freund. Sie heiratet Alvin von Briest, der sie vor Hunger und Tod gerettet hat. Ihr Herz aber gehört Paul. Während in Berlin Barrikaden gebaut werden, die Industrialisierung ihren Lauf nimmt und sich Deutschland schließlich unter Bismarck eint, müssen Alvin, Paul und Louise in einem Jahrhundert der Gegensätze ihren Weg finden.
Berlin, Paris, München: die große historische Saga zur Bismarckzeit !

Autor (Quelle: Einbandklappe)
Richard Dübell, geboren 1962, lebt mit seiner Frau und zwei Söhnen bei Landshut. Als Autor von historischen Romanen stürmt er seit Jahren die Bestsellerlisten und legt nun mit Der Jahrhundertsturm ein großes Epos zur deutschen Geschichte im neunzehnten Jahrhundert vor.

Allgemeines
Erscheinungstermin: 6. Februar 2015 bei Ullstein, Taschenbuch mit 1056 Seiten
Vier Bücher mit nummerierten Kapiteln, ausführliches Nachwort
Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven
Die Handlung spielt an verschiedenen Orten (u.a. Paris, Berlin, München) im Zeitraum von 1840 bis 1871

Zum Inhalt
Die untereinander verbundenen Lebenswege der drei Protagonisten spielen sich vor dem Hintergrund bedeutender politischer und technischer Entwicklungen des 19.Jahrhunderts ab.
Alvin von Briest, der als jüngerer Sohn eines traditionsbewussten preußischen Junkers bei dessen Tod leer ausgegangen ist, während sein Bruder das Gut geerbt hat, geht zum Militär, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Zu diesem Schritt ermutigt ihn kein Geringerer als Otto von Bismarck, der - von einem benachbarten preußischen Gut stammend - in einer ähnlichen Lage ist wie Alvin.
Paul Baermann, ein junger Münchner aus einfachen Verhältnissen, ist von der Erfindung der Eisenbahn fasziniert, sein Lebenstraum ist es, in Nürnberg die "Adler" (erste in Deutschland verkehrende Dampflokomotive) zu sehen und dann bei Robert Stephenson eine Ausbildung zum Ingenieur zu machen. Durch Leichtsinn und Pech "verspielt" er das Geld, das seine Eltern eigentlich als Mitgift für seine Schwester Lily vorgesehen haben. Lily entwickelt einen mörderischen und lebenslangen Hass auf den ihr gegenüber stets bevorzugten Bruder.
Louise Ferrand ist in Not geraten, als ihre verwitwete Mutter Amélie von dem Mann, der sie als Geliebte ausgehalten hatte, verlassen wird. In den Slums von Paris kämpfen die Frauen um das Überleben, als Louise Alvin und Paul trifft, die einander erst vor Kurzem begegnet sind und die es entgegen ihrer vorherigen Pläne nach Paris verschlagen hat.
Beide Männer verlieben sich in Louise, auch sie liebt beide Männer. Obwohl sie Alvin heiratet, bleibt sie auch Paul verbunden. Über drei Jahrzehnte hinweg kreuzen sich die Lebenswege der drei Hauptfiguren immer wieder, auch Otto von Bismarck, der Alvin freundschaftlich verbunden bleibt, tritt immer wieder in Erscheinung und nimmt wesentlichen Einfluss auf Alvins Lebensweg...

Beurteilung
Repräsentiert von den zwei Handlungssträngen um Alvin von Briest und seinen Freund Otto von Bismarck einerseits und Paul Baermann andererseits entrollt sich vor dem Leser ein großartiges Panoramabild des 19.Jahrhunderts. Man erlebt den Verlauf der Karriere Bismarcks vom unbekannten Gutsherrensohn bis zum Kanzler und "Schöpfer" des Deutschen Reichs, in diesem Teil des Romans über die politische Geschichte Deutschlands lässt der Autor bedeutsame geschichtliche Ereignisse (Barrikadenkämpfe in Berlin 1848, Dänenkrieg, Schlacht bei Königgrätz, Deutsch-Französischer Krieg ) in anschaulicher Weise aufleben.
Der zweite Handlungsstrang, präsentiert anhand der Berufslaufbahn des technikbegeisterten Paul Baermann, geht detailliert auf die technischen Neuerungen der Epoche ein und zeigt auf, wie diese Neuerungen auch politischen Zielen (Truppentransporte per Eisenbahn, Kommunikation im Kriegsfall über Telegraphen etc.) dienen können. Auch hier zeichnet sich der Roman durch gründlichste Recherche aus, so wird z.B. das Eisenbahnunglück von Avenwedde vom 21. Januar 1851 detailliert und anschaulich geschildert.
Louise pendelt sozusagen zwischen den beiden Welten und versucht, sich ein eigenes Betätigungsfeld aufzubauen, so ist sie maßgeblich mit der Versorgung verwundeter Soldaten (als Delegierte des Roten Kreuzes) befasst.
Der Schreibstil ist lebendig und anschaulich, durch die Umtriebe der hasserfüllten Lily Baermann und eines früheren kleinkriminellen Liebhabers von Louise ist für reichlich Spannung gesorgt. Lediglich die Liebesbeziehung - die beiden Männer akzeptieren es, Louise quasi abschnittsweise zu "teilen" - ist etwas zu sehr im Vordergrund des Geschehens angelegt, ein solches Arrangement wirkt angesichts der geschilderten Epoche und des preußischen Ehrverständnisses nicht sehr glaubwürdig. Auch die Gefühlslage der Männer scheint in ihrer Sentimentalität etwas überzeichnet.
Die Charakterisierung Bismarcks ist umso gelungener, er wird als Egozentriker, aber auch als Visionär dargestellt, eine widersprüchliche und wohl auch die interessanteste Figur in diesem Roman.
In einem ausführlichen Nachwort erläutert der Autor Hintergründe zu geschichtlichen Fakten, eine Landkarte Deutschlands und Frankreichs im vorderen und hinteren Einband erleichtert dem Leser die Orientierung.

Fazit
Ein fesselnder historischer Roman, der Lesern mit Interesse für die Geschichte des 19.Jahrhunderts im Allgemeinen und Preußen / Bismarck im Besonderen uneingeschränkt zu empfehlen ist!
4,5 Sterne