Von Donegal mitten ins Herz

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
rockchickdeluxe Avatar

Von

Das Leben als Außenseiter ist nie einfach. Schon gar nicht in einer kleinen, irischen Gemeinde Donegals in den 70er-Jahren.

Doch genau hier landet der Junge aus dem Meer. 1973 wird Brandon am Strand gefunden und von Ambros und seiner Frau Christine adoptiert.
Gegen aller Widrigkeiten sucht er sich seinen Platz im Leben und in der Familie.

In Donegal sind die Menschen zwar nicht abergläubisch wie im County Clare, doch das Zauberhafte und Mythische fasziniert sie. Und so geht von Brandon immer ein gewisses Strahlen aus, dem sich Ambrose, sein Adoptivvater, von allen am wenigsten entziehen kann.
«Wir reden nicht darüber, aber er war der Junge, dessentwegen wir, jedenfalls für eine Weile, ein hilfloses Staunen empfunden haben, das wir niemals vergessen sollten.» S.124

Wir begleiten die Familie 20 Jahre lang. Zwischen dem Kampf der Brüder, dem harten Leben an der Küste, Glück, Liebe und den kleinen Dingen, die das Leben ausmachen.

Allgegenwärtig ist das Schweigen zwischen Menschen, die es gewohnt sind, Dinge auch ohne Worte zu sagen. Die Iren hier sind wortkarg, hart und herzlich, doch die kleine Gemeinde, in der keine Zeit bleibt, sich darüber Gedanken zu machen, wer man ist oder sein möchte, ist schwieriges Terrain für die Suche nach sich selbst.

Der Ton des Romans passt perfekt. Die Erzählstimme ist die Dorfgemeinschaft. Leicht ironisch, augenzwinkernd, atmosphärisch und doch immer zwischen dem Unausweichlich, das es zu akzeptieren gilt und der gut verborgenen Wärme der Menschen fängt er den Charakter der Küstenmenschen Detail getreu ein. Wir sind dabei, im Wind, an der See, in der die traumhaft schönen und unerbittlichen Landschaft, riechen den Torf und fahren mit raus.

Irland ist ein Land, dass seine Bewohner tiefer prägt als kaum eines sonst. Ringsum von Wasser umgeben scheint das Leben einfach, doch es ist alles andere als das. Wie das Meer sind die Menschen und die Dorfbewohner unnachgiebig und unerschütterlich, leben in ihrem Rhythmus, geben sich und einander nicht viel Zeit. Doch jeder Wesenszug eines Charakters ist so willkommen wie die Gesichter des Meeres und hat seine Berechtigung. Und deshalb gibt es keinen besseren Ort für einen Außenseiter, wenn er auch auf den ersten Blick nicht besonders gastlich erscheint. Auf den zweiten ist er Dein Zuhause, denn „einen Ort wie diesen wird man nie los. Wenn man nicht zurückkommt, holt er einen ein, egal, wo man ist.“ (S. 412)

«Der Junge aus dem Meer» ist ein Buch, das direkt ins Herz geht. Es ist dunkel und hell, schafft so lebendige Charaktere, dass sie zu Freund*innen werden und wärmt noch lange danach.

Ein Riesendankeschön an vorablesen.de und Rowohlt für das Rezensionsexemplar. Wie schön, dass es solche Bücher gibt.