Abenteuer in Zeitlupe

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wandablue Avatar

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Von der „Vereinigte(n) Ostindische(n) Compagnie“, beauftragt im Türkenland Kaffeepflanzen zu mopsen und damit das Kaffeemonopol der Türken zu brechen, ist der smarte Engländer Obediah Chalon schiffswegs nach Smyrna unterwegs. Wir befinden uns mitten im aufregenden 17. Jahrhundert, Ludwig der Vierzehnte herrscht noch und in England geht’s glaubensmässig hin und her, katholisch, protestantisch, katholisch, protestantisch. Das katholische Frankreich hat seine Spione überall, und genau wie heute entspringen aus Gerüchten leicht gefährliche Verschwörungstheorien.

Was sich als atemlos machender Abenteuerroman hätte entwickeln sollen, dümpelt jedoch vor sich hin. Handlung findet vornehmlich in der Retrospektive statt. Man sitzt im Kaffeehaus oder auf dem Schiff oder in der Kirche oder sonstwo und erzählt, was gewesen ist. Aber wie gerne wäre man selbst im Getümmel; und ist man es doch einmal, wird das Abenteuer durch langatmige Beschreibungen in Zeitlupe gesperrt. Mit Spannung ist es zappenduster.

Der einen guten Teil des Romans in Beschlag nehmende Briefverkehr zwischen französischem Geheimdienst, der Krone, den vermeintlichen Konspirateuren und deren Verhandlungspartnern erhellt die politische Lage im erweiterten Europa, aber ziemlich verklausuliert. Man muss dennoch nachschlagen, falls einem die Großwetterlage des 17. Jahrhunderts nicht vorher bereits bestens bekannt ist, vor allem deshalb, weil der Autor dieselben historischen Persönlichkeiten mit immer wieder neuen Namen belegt. Trotzdem ist der Einblick in die komplizierten Machtverhältnisse, das labile Gleichgewicht der Kräfte und die Konspiration der Geheimdienste das eigentlich Interessante des Romans.

Doch der Stil ist umständlich. Der Autor kommt mit der Story einfach nicht zu Potte. Die Dialoge sind weit entfernt von geistreich. Ein fesselnder Schlagabtausch zwischen den Protagonisten und die konsequente Ausarbeitung ihrer Beziehungen untereinander, hätten dem Roman die Prise Salz verliehen, die leider fehlt. So bleibt die Suppe fad.

Der Leser ärgert sich über Abstecher, die mit der Story nichts zutun haben, z.B. Karneval in Neapel, dies erstickt Kurzweil und Lesevergnügen. Will der Autor historische Details ins Zentrum rücken, muss er eine lebhaftere Handlung drum herum weben. Er hat gute Einfälle, vergeigt sie aber durch deren stereotype Abhandlung. Man hat den Eindruck, dass dem Autor dieser Teil des Buches nicht so am Herzen liegt wie z.B. die seitenlangen Beschreibungen der Kleidermode oder der Aufzählung der gängigen Schiffstypen oder der Beschreibung des osmanischen Zeltlagers, Handlung und Protagonisten dagegen scheinen doch eher lästige Begleiterscheinungen der Historie zu sein, die man lustloser abwickelt.

Fazit: Die Grundstory ist eigentlich prima . Doch das verheißene Abenteuer findet nur in Zeitlupe statt und der Diebstahl nimmt nicht allzuviel Raum ein. Das alles macht den Roman recht zäh.

Kategorie: Historischer Roman
Verlag: Kiepenheuer & Witsch, 2016