Auf der Suche nach dem perfekten Klang

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bücherhexle Avatar

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Der junge Tomura ist in einem kleinen Bergdorf aufgewachsen. Seine Schulzeit ist beinahe zu Ende, doch er hat noch keine Ahnung, welchen Weg er anschließend einschlagen soll. Durch einen Zufall ist er dabei, als der Schulflügel in der Turnhalle von Fachmann Itadori gestimmt wird. Dieses Erlebnis hat Initiationswirkung auf Tomura. Der Klang der Töne, die Musik, die daraus resultiert, trifft ihn tief ins Mark: „Wenn ein Klavier solch ein Wunderwerk ist, das unsichtbar Schönes aufgreifen und ihm eine hörbare Form verleihen kann, dann möchte ich mit Freuden sein Diener sein.“ (S. 24)

Obwohl Tomura selbst kein Instrument spielt, beschließt er, Klavierstimmer zu werden und besucht die 2-jährige Fachschule. Anschließend hat er Glück, dass er in derselben renommierten Firma eine Anstellung findet, in der auch Itadori, sein Vorbild, tätig ist. Für Tomura beginnt eine Zeit der beruflichen Entwicklung. Er arbeitet eng mit seinen Kollegen zusammen, stellt Fragen und beobachtet sorgfältig, um seine Kenntnisse und Fertigkeiten zu erweitern. Zunächst darf er nur die eigenen Ausstellungsklaviere stimmen, dann die Kollegen begleiten, schließlich hat er erste eigene Kunden. Tomura ist ein höchst gewissenhafter, bescheidener junger Mann, der dazu neigt, seine eigenen Fähigkeiten geringzuschätzen. Doch ist es auch diese Eigenschaft gepaart mit unermüdlichem Ehrgeiz, die ihn nicht ruhen lässt und seiner Berufung immer näher bringt.

Besonderen Eindruck hinterlassen die Zwillingsschwestern Yuni und Kazune auf ihn, deren Klavier regelmäßig gestimmt werden muss. Ihre Familie ist sein erster Kundenbesuch und die Mädchen begeistern ihn mit ihrer völlig unterschiedlichen Art zu musizieren. Besonders Kazunes Virtuosität fasziniert den jungen Mann: „Ihr Spiel offenbarte sich mir als etwas Besonderes. Eine Abfolge von Klängen, die vielleicht sogar mehr waren als nur Musik. Sie berührten mein Herz. Versetzten mein Trommelfell in Schwingung und verursachten mir eine Gänsehaut.“ (S. 33)

Tomura wird an den Geschicken der Zwillingsschwestern großen Anteil nehmen. Sein Ziel wird es sein, den optimalen Klang für jedes Klavier und auch jeden Pianisten herauszufinden. Die Liebe zur Musik und zum Instrument ist seine Passion, der er beflissen folgt. Der Leser nimmt Anteil an ersten Misserfolgen wie auch an Erfolgserlebnissen. Tomuras gefällige, sympathische Art wächst einem ans Herz. Mit Detailreichtum wird die Kunst des Klavierstimmens facettenreich dargestellt. Man bekommt ein geschärftes Bewusstsein dafür, wie vielseitig das Berufsbild ist, auf wie viele Kleinigkeiten es bei dem filigranen Handwerk ankommt. Es gehört viel mehr dazu, als nur 88 Tasten korrekt aufeinander abzustimmen.

Aus dem gesamten Roman spricht die Leidenschaft für Klang und Musik, die flankiert werden von wunderbar einfühlsamen Dialogen des Protagonisten mit seinem Umfeld. „Der Klang der Wälder“ ist ein sehr ruhiges, poetisches Buch über einen jungen Mann, der konsequent seiner Berufung folgt und liebevolle Kollegen/Lehrer an seiner Seite weiß. Es ist ein sehr japanisch geschriebenes Buch, es erzählt leise, sensibel und sehr rücksichtsvoll. Wer eine Liebe zur Klaviermusik hegt oder selbst spielen kann, wird den Roman zu schätzen wissen. Es ist kein Fehler, sich mit der Mechanik eines Klaviers auszukennen, weil die theoretischen Ausführungen dann besser verständlich sind.

Vielleicht kommt es darauf aber auch gar nicht an. Man muss sich auf den relativ spannungsarmen Roman einlassen. Er ist ein Buch zum Entschleunigen, zum Wohlfühlen. Man begleitet Tomura gern, er ist ein Sympathieträger. Ebenfalls verfolgt man den Werdegang der beiden Schwestern mit großem Interesse und ist auch neugierig, was sich daraus ergeben mag…

Ich hätte dem Protagonisten manchmal ein bisschen mehr Selbstvertrauen gewünscht. Seine omnipräsente Bescheidenheit lässt ihn und die Handlung zuweilen auf der Stelle treten. Ein nettes Buch für Musikfreunde: Am besten liest man es mit romantischen Klavierwerken Chopins im Hintergrund.