Poetische Hommage an das Klavier

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Rezension zu "Der Klang der Wälder" von Natsu Miyashita

Gleich vorweg: Wenn du zufällig von Beruf Klavierstimmer_in, Klavierbauer_in oder Pianist_in bist, dann ist dieser Roman ganz einfach ein MUSS für dich! So detailreich und sinnlich liest man bestimmt sehr selten über sein Lieblingsinstrument.

Tomura-kun findet durch Zufall seine wahre Berufung: Er will Klavierstimmer werden! Seit er als Kind durch die Wälder Japans gestreift ist und ihre Klang- und Geruchswelt inhalierte, hat ihn nichts mehr so tief berührt und ihm das Gefühl von Heimat gegeben - außer wenn jemand eine Taste auf einem Klavier anschlägt. So setzt sich Tomura-kun schon als Teenager in den Kopf seinen Lebensunterhalt mit dem Reparieren und Stimmen von Klavieren zu verdienen. Rasch wird ihm klar, dass damit sehr viel Zeit und Arbeit verbunden ist, doch das stört ihn, zielstrebig und fleißig wie er ist, überhaupt nicht. Vielmehr befürchtet er, dass ihm das Talent zum Erfolg fehlen könnte...

Dass das Buch in Japan zum Millionenbestseller wurde kann ich wiederum nicht wirklich nachvollziehen, da ihm jegliches Zeug zum Ansprechen des lesenden Mainstreams fehlt. Ich würde mich persönlich als musikinteressiert bezeichnen und habe große Freude am Hören von Klavierklängen - ja ich träume sogar heimlich davon selbst mal Klavierspielen zu lernen. Aber dennoch war es streckenweise für mich schwierig der Autorin durch das Buch zu folgen und dabei "am Ball zu bleiben". Leider habe ich mir stellenweise gewünscht, dass es sobald wie möglich vorbei ist. Vielleicht bin ich aber einfach fachlich nicht versiert genug, wenn es um den Klang der Klaviertasten geht - mag sein. Irgendwo auf der Reise durch den Klang der Wälder hat mich Natsu Miyashita unwiderbringlich verloren.

Von der Sprache und Erzählweise war ich allerdings gleich von Anfang an sehr angetan. Die Klarheit in der Ausdrucksweise und die schnörkellose Beschreibung der Gefühlswelt von Tomura-kun (dem Hauptprotagonisten aus dessen Sicht das Buch geschrieben ist) ist angenehm unaufdringlich und gleichzeitig sehr intensiv, sodass man sich im Laufe der Erzählung zwangsläufig mit den verschiedenen Charakteren auch emotional auseinandersetzen muss.

Besonders schön lesen sich auch die Vergleiche zwischen den Tönen, Klängen und Düften in der Natur und denen eines Klaviers. Auch wenn wohl jedem Menschen klar ist, dass Klaviere aus Holz sind, so habe ich noch nie bewusst diese natürliche Verbindung hergestellt. Ein für mich völlig neuer und wie ich finde wunderschöner Zugang zur Klangwelt des Klaviers. Oder der Wälder. Ich werde da wie dort zukünftig mit einem unvoreingenommeneren Ohr zuhören.

Zum Schluss ein schönes Zitat über den "perfekten Klang": "Hell, ruhig und klar, an wehmütige Erinnerungen rührend, zugleich aber mit einer milden Strenge in die Tiefe gehend. Schön wie ein Traum und greifbar wie die Wirklichkeit."