Sehr japanisch, schöner Sprachstil, aber leider ohne überzeugenden Effekt

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sommerlese Avatar

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Im Insel Verlag erscheint "Der Klang der Wälder" der japanischen Autorin Natsu Miyashita.

Als Tomura den begabten Klavierstimmers Itadori-san bei seiner Arbeit erlebt, ist er völlig begeistert. Die Töne entwickeln sich bei ihm zu Bildern und die Töne versetzten ihn in die rauschenden Wälder seiner Kindheit. Von da an steht sein Wunsch fest, ebenfalls Klavierstimmer zu werden. Er erlernt den Beruf, hadert aber ständig mit seinen Fähigkeiten und möchte den perfekten Klang erzeugen. Als er die Zwillinge Yuni und Kazune trifft, ist er von Kazunes Klavierspiel hingerissen und möchte für sie den perfekten Klang am Klavier erzeugen.

"Der Weg ist voller Fallstricke. Und so lang, dass kein Ende abzusehen ist. Am Anfang steht die Absicht. Und ebenso am Ende. Dazwischen gilt es, sich zu bemühen, sich anzustrengen, zu beharren." Zitat Seite 190

Dieser Roman lässt uns in das Leben des Japaners Tomura blicken. Wir erleben einen jungen Mann, der sein Berufsziel Klavierstimmer als Passion ausübt. Und er ist fast fanatisch bemüht, den perfekten Klang aus den Instrumenten herauszuholen, damit setzt er sich auch ständig unter Druck und bekommt Selbstzweifel. Perfektionismus ist in der japanischen Gesellschaft ein erstrebsames Ziel.

Tomuras Gefühlsleben schlägt einzig für die Klänge des Klaviers. Seine Zuneigung zu Kazune entwickelt sich erst allmählich durch ihr wunderbares Klavierspiel.

"Die wild ausschlagende Nadel meines inneren Kompasses hatte sich endlich ausgerichtet und stand still. ...zeigte sie und unmissverständlich in eine einzige Richtung: Kazune Zukunft." Zitat S. 191

Von echten Gefühlen ist hier aber nie die Rede. Die Mentalität der Japaner ist in Liebesfragen eher unromantisch und fast schon pragmatisch, das sollte man wissen, wenn man sich dieser Lektüre widmet. Damit hat mir aber auch schon etwas entscheidendes gefehlt, die ellenlangen Beschreibungen von Tonänderungen finde ich auf Dauer langweilig. Auch wenn ich kein Klavier spiele, liebe ich die Musik dieses Instruments. Doch es ist für mich keine Lesefreude, wie hier Tonfolgen und Klangveränderungen ausführlich beschrieben werden.

"...beim c-moll.Akkord (C-es-G), wo das ursprüngliche E um einen Halbtonschritt in >es< vermindert ist, ..." Zitat S. 195

Sprachlich kann man dem Buch bis auf die erwähnten musikalischen Ergüsse gut folgen. Es ist ein spezieller Tonfall, sehr japanisch und mit den Schilderungen der Geräusche oder der Stimmung der Wälder auch sehr blumig und interessant. Das mag ich sehr, doch die ganze Story konnte mich nicht erreichen. Wenn man der disziplinierten Art Tomuras folgt, erlebt man auch Erinnerungen an seine dörfliche Kindheit, doch die verebben auch schnell wieder und ich wurde mit ihm einfach nicht warm. Genauso haben mich die anderen Figuren nicht erreichen können, sie haben alle ihre Geheimnisse, doch sympathische Züge fehlten mir bei allen Personen.

Wer einen Traum verfolgt, sollte genügend Enthusiasmus und Begeisterung mitbringen, damit auch die schwierigen Phasen überwunden werden können.

Die Thematik der Klavierstimmerei hat mich leider nicht genug packen können, um der Geschichte gespannt zu folgen. Ganz im Gegenteil, es war auf Dauer ermüdend und ich hätte mir auch ein anderes Ende gewünscht.

Die Informationen über Natur in Japan und die Liebe zur Musik haben nicht ausgereicht, um dieses Buch begeistert zu lesen.