Rettung, oder Untergang

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dimity74 Avatar

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Vor Jahrzehnten wurde die Erde durch eine mysteriöse Naturkatastrophen unbewohnbar, nur wenige Menschen konnten sich auf einer kleinen griechischen Insel in Sicherheit bringen. Emory ist eine Nachfahrin dieser Überlebenden, 122 von ihnen leben heute friedlich und im Einklang miteinander in einer Dorfgemeinschaft, geführt von den drei Ältesten, überwacht und beschützt durch Abi, das Sicherheitssystem der Insel. Eine Idylle, aber nur auf den ersten Blick, denn als in dieser Idylle ein Mord geschieht steht plötzlich das Überleben aller auf dem Spiel.

Autor Stuart Turton siedelt seine Kriminalgeschichte in einer undatierten Zukunft an, anhand der Technologien, die aus der Zeit vor der Katastrophe, dem Nebel, noch auf der Insel zu finden sind und aus den Äußerungen der Ältesten lässt sich aber schließen, dass uns noch Zeit bleibt. Die Probleme der Zivilisation sind aber den unseren gar nicht unähnlich, Überbevölkerung, Umweltverschmutzung, Klimawandel, eine große Diskrepanz zwischen arm und reich etc, etc. Alles Dinge, die uns bekannt sind und wahrscheinlich irgenwann mal unser Untergang, sollten wir nicht endlich die Kurve kriegen. Turton wählt für seinen Untergang einen mysteriösen Nebel, der plötzlich auftaucht und die Erde überzieht, die Insekten in seinem Inneren töten alle Lebewesen, die mit dem Nebel in Berührung kommen. Nicht neu, hatte Stephen King so ähnlich auch schon mal. In einer hochmodernen Forschungseinrichtung auf einer kleinen Insel haben Wissenschaftler mithilfe einer KI eine Art Barriere erschaffen, die die Insel umgibt und so das Überleben der Menschen hier sichert.

Zu Beginn lernt der Leser erstmal einige der handelnden Figuren kennen, erfährt etwas über ihre Stellung innerhalb der Gemeinschaft und über den Inselalltag. Hier hilft eine Karte der Insel, vorn im Buch und eine Liste der wichtigsten Figuren bei der Orientierung. Eine der Figuren fehlt in dieser Aufzählung allerdings, Abi, die KI, das Sicherheitssystem, einzig den Ältesten, allen voran der Wissenschaftlerin Niema, Rechenschaft schuldig. Abi fällt eine bedeutende Rolle innerhalb der Geschichte zu, fungiert sie doch im Grunde als Erzähler, denn dadurch, dass sie mit den Gehirnen der Dorfbewohner vernetzt ist, kennt sie jeden ihrer Schritte, jeden ihrer Gedanken, jede ihrer Fragen und sie beantwortet diese auch im teils telepathischen Dialog. Anfangs war es etwas gewöhnungsbedürftig, wenn plötzlich aus dem Nichts Abi in Funktion eines Ich-Erzählers in die Geschichte eingreift. Andererseits gut gemacht, wird so doch deutlich, dass Abi im Hintergrund omnipräsent und quasi allwissend ist. Und Abi ist es dann auch, die den drohenden Untergang einleitet, indem sie nach einem Mord das Sicherheitssystem der Insel herunterfährt.

Im Groben ist das Buch also natürlich ein Krimi, es geschieht ein Mord und die Beteiligten versuchen den Täter zu finden, Emory und ihre Tochter Clara finden sich in der Rolle der Ermittler wieder und versuchen recht klassisch, durch Befragungen und die Suche nach Hinweisen die Ereignisse zu rekonstruieren. Hier kommt es dann aber oft zu ein paar Längen, die irgendwie typisch für den Autor sind, denn er verzettelt sich dann sehr leicht, schweift ab, springt innerhalb der Geschichte immer wieder unkontrolliert hin und her und macht es so manchmal recht anstrengend. Hier schafft er es dann durch die Hintergrundgeschichte, die sich im Verlauf der Ermittlungen Emory und dem Leser offenbart, das man bei der Stange bleibt. Im Grunde weiß der Leser recht schnell, dass hier irgendetwas nicht stimmt, das Ausmaß wird aber erst nach und nach richtig klar.

Der Autor macht es mir etwas schwer mehr ins Detail zu gehen, ohne zu spoilern, es juckt mich in den Fingern, denn ich könnte so viel schreiben. Mich hat er mit seinem Genremix gut unterhalten, das werden aber sicher nicht alle so sehen. Die Story hat natürlich dystopische Anklänge, stellt in diesem Zusammenhang aber auch tiefgründige philosophische Fragen. Wenn etwa thematisiert wird, wie sich die Menschen angesichts der Katastrophe verhalten, oder beim Thema, ein Leben opfern, um viele zu retten. Viele der im Buch verarbeiteten Details wird man vielleicht wiedererkennen, aus Serien wie Humans, West World, Walking Dead, oder Last of us, direkt zu Beginn des Buches fühlte ich mich an Die Zeitmaschine erinnert, die Dorfbewohner hier im Buch haben viel gemeinsam mit den friedvollen, naiven Eloi aus Wells Roman.

Turton hat sich wieder auf verschiedenste Weise inspirieren lassen und daraus etwas ganz eigenes kreiert. Mir gefällt diese Mischung sehr, vereint sie doch alle meine Lieblingsgenres miteinander. An manchen Stellen lässt die Spannung etwas nach weil es zu kleinteilig wird, an manchen hätte ich mir hingegen noch ein bisschen mehr gewünscht, schafft der Autor hier noch die Balance, gibt es beim nächsten mal 5 Sterne.