Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis

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jenvo82 Avatar

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"Er verließ sich lieber auf sein Gehör und noch mehr auf seinen Fleiß. Man musste den Dingen zuhören und sich dann auf seinen Hintern setzen und arbeiten, das war das ganze Geheimnis.“

Inhalt

Für den berühmten österreichischen Komponisten und Operndirektor Gustav Mahler ist es die letzte Reise zurück in die europäische Heimat, nachdem er in Amerika große Erfolge feiern konnte. Seine immer schlechter werdende Gesundheit zwingt ihn in die Knie und lässt sein grandioses Lebenswerk als Künstler unter dem Licht der Vergänglichkeit nochmals ganz anders erscheinen. Oben auf dem Schiffsdeck der „America“ eingewickelt in eine Decke, die gegen das Fieber nichts ausrichten kann, hängt Mahler seinen Erinnerungen nach und schließt Frieden mit einer Welt, aus der er sich bald verabschieden wird. Zurück bleibt die Überzeugung, dass er Vieles hätte anders machen können, nachdem seine ältere Tochter im Kindesalter verstorben ist, dass er in seiner Rolle als Mann und Vater nur mäßigen Erfolg hatte, ganz anders als auf den Bühnen der Welt. Seine große Liebe Alma begleitet ihn zwar auf dieser Reise, doch ihre Zuneigung hat sich schon längst auf ein Mindestmaß reduziert und orientiert sich mehr an den Verpflichtungen einer Ehe, denn an wirklicher Liebe. Und er wird sich immer sicherer: das Leben seiner Familie wird weitergehen, auch wenn er stirbt, sein Werk jedoch wird Bestand haben, obwohl ihm immer bewusster wird, dass er seine Prioritäten möglicherweise falsch gesetzt hat …

Meinung

Nun habe ich es endlich geschafft, einen Roman des in Wien geborenen Autors Robert Seethaler zu lesen, der bereits zahlreiche internationale Publikumserfolge erzielen konnte. Sein Schreibstil ist äußerst klar und zielgerichtet, wirkt reflektierend und angepasst an die traurige Handlung der Erzählung.

Fasziniert hat mich vor allem seine gekonnte Auswahl an Gedankengängen, die es dem Leser ermöglichen, ganz nah an die Person des Gustav Mahler heranzukommen. Insbesondere die minimalistische Benennung biografischer Sachverhalte, die mich direkt dazu animiert hat, mich parallel zu diesem Buch intensiver mit dem Künstler Mahler zu beschäftigen. Prinzipiell ein cleverer Schachzug, denn immer dann, wenn ich einen Gedanken im Kontext hatte, stockt die Erzählstimme und lässt die Neugier auf mehr Hintergründe wachsen.

Gleichzeitig sind diese Lücken aber auch ein Kritikpunkt meinerseits, denn hätte der Autor nicht so viele Fragmente geschaffen und sich stattdessen noch intensiver auf die historischen oder menschlichen Aussagen konzentriert, wäre meine Begeisterung für das Buch noch weit größer gewesen. Dieser Roman hätte gerne den doppelten Umfang haben können, oder die tatsächlich letzten Stunden des Protagonisten lebendig werden lassen. Der Schiffsjunge selbst, der die Abschlussszene gestaltet, ist doch eine viel zu blasse, willkürliche Person, die mir zu wenig Gewicht auf diesen persönlichen Rückblick legt.

Fazit

Ganz klar eine Leseempfehlung, der ich gute 4 Sterne gebe, gerade wenn man als Romanliebhaber auch mal in eine Biografie hineinschnuppern möchte. Wie der Klappentext bereits verspricht, erlebt man glasklare Momente der Schönheit und des Bedauerns – doch zu vieles bleibt ungesagt oder unbedacht. Ich lese definitiv noch ein anderes Werk des Autors, um mir einen besseren Überblick zu verschaffen.