Bewegendes Porträt des Ausnahmekünstlers Gustav Mahler

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INHALT
An Deck eines Schiffes auf dem Weg von New York nach Europa sitzt Gustav Mahler. Er ist berühmt, der größte Musiker der Welt, doch sein Körper schmerzt, hat immer schon geschmerzt. Während ihn der Schiffsjunge sanft, aber resolut umsorgt, denkt er zurück an die letzten Jahre, die Sommer in den Bergen, den Tod seiner Tochter Maria, die er manchmal noch zu sehen meint. An Anna, die andere Tochter, die gerade unten beim Frühstück sitzt, und an Alma, die Liebe seines Lebens, die ihn verrückt macht und die er längst verloren hat. Es ist seine letzte Reise.
"Der letzte Satz" ist das ergreifende Porträt eines Künstlers als müde gewordener Arbeiter, dem die Vergangenheit in Form glasklarer Momente der Schönheit und des Bedauerns entgegentritt.
(Quelle: Hanser)

MEINE MEINUNG
Mit seinem neuen Buch „Der letzte Satz“ ist dem österreichischen Schriftsteller Robert Seethaler erneut ein eindrucksvoller, berührender und eher stiller Roman gelungen.
Auf gerade einmal 125 Seiten widmet er sich dem Leben und Schaffen des berühmten Musikers, genialen Komponisten und Dirigenten Gustav Mahler (1860–1911), der die symphonische Musik von der Spätromantik in die Moderne lenkte. Seethaler entwirft mit seinem ruhigen, ausgefeilten Erzählstil ein faszinierendes und ungewöhnliches Portrait dieses Ausnahmekünstlers und bringt uns den zerbrechlichen Menschen hinter dem Genie, einen kreativen Schöpfer und Interpreten, einen verzweifelt Liebenden sowie mit dem Schicksal ringenden Menschen nahe.
Mit einer klaren, poetischen Sprache nimmt Seethaler den Leser in seiner Rahmenhandlung mit auf Gustav Mahlers letzte Reise an Bord des Passagierschiffes „Amerika“, auf dem der berühmte Komponist mit seiner Frau Alma und Tochter Anna von New York Richtung Europa reist. Von schwerer Krankheit gezeichnet, die meiste Zeit auf dem Sonnendeck verbringend und von einem eigens abgestellten jungen Schiffsjungen umsorgt, hängt er seinen Gedanken und Erinnerungen nach. Immer wieder wird diese Rahmenhandlung durchbrochen von Rückblicken des alternden Künstlers, in denen er sein Leben in der Vorahnung seines nahenden Todes Revue passieren lässt. So folgen wir Mahlers wirren, unzusammenhängenden Gedankenstrom und assoziativen Erinnerungsfetzen, in denen er sich noch einmal auf verschiedene Episoden, kleine Anekdoten und einschneidende Geschehnisse in seinem Leben zurückbesinnt.
Ob nun sein schwieriges Verhältnis zu seiner Ehefrau Alma, die einst zu den begehrtesten Frauen Wiens zählte und sich von ihm enttäuscht einem anderen zuwendete, der tragische Tod seiner älteren Tochter Maria oder seine ihn quälenden Gedanken an seine unvollendeten Kompositionen - der Leser erhält sehr aufschlussreiche Einblicke in das Innenleben dieses eigenbrötlerischen Außenseiters und hochtalentierten, mit seinem Leben hadernden Künstlers.
Mit viel psychologischem Feingefühl ist es dem Autor gelungen, Gustav Mahler in seiner Genialität aber auch seiner inneren Zerrissenheit, Melancholie, Trauer und Verbitterung sehr glaubhaft einzufangen. Zugleich lässt er uns auch an seinen Glücksmomenten und Schicksalsschlägen teilhaben.
Sehr einfühlsam und anschaulich zeichnet Robert Seethaler in kurz angerissenen Szenen Mahlers grandioses Wirken und einzigartiges Schaffen nach - das Arbeiten an seinen Sinfonien in seinem abgeschiedenen Kompositionshäuschen, seine Tätigkeit als Direktor der Wiener Hofoper oder seine Gedanken an die Uraufführung seines Ausnahmewerks die 8. Sinfonie. Sehr gelungen und humorvoll erzählt Seethaler beispielsweise in einer Anekdote das Modellsitzen des Maestros beim berühmten Auguste Rodin in Paris. Sehr eindrucksvoll ist auch seine Begegnung mit dem großen Sigmund Freund im holländischen Leiden geschildert, bei dem sich Mahler Hilfe für seine gescheiterte Ehe erhoffte.
Obwohl der Autor uns an einigen sehr emotionalen, tragischen Momenten in Mahlers Leben Anteil nehmen lässt, blieb für mich stets eine seltsame Distanz, die leider eine wirkliche Nähe und Anteilnahme für Gustav Mahler vermissen ließen.
Dennoch ist es Robert Seethaler gelungen, mit wenigen, aber sehr pointierten Worten eine beeindruckend skizzierte Lebensgeschichte niederzuschreiben und bei mir wieder Interesse an einem faszinierenden Ausnahmekünstler und seinen außergewöhnlich musikalischen Werken zu wecken.
FAZIT
Ein unterhaltsames und bewegendes Porträt des Ausnahmekünstlers Gustav Mahler – ruhig und einfühlsam erzählt! Nicht ganz so gelungen wie andere Werke von Seethaler, aber dennoch lesenswert!