Einsam an Bord am Ende des Lebens

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In Robert Seethalers Roman "Der letzte Satz" - bei einer Seitenzahl von 126 früher Novelle genannt - geht es um die letzte Reise des bekannten Komponisten und Konzertdirektors Gustav Mahler. Dieser lebte von 1860 bis 1911, also am Übergang des vorletzten Jahrtausends zum 20. Jahrhundert. Er war Mitbegründer einer neuen Art von klassischer Musik.
Mahler ist im Roman als Arbeitstier dargestellt, er ist Direktor verschiedener Opernhäuser samt damit verbundener Verwaltungsarbeit, er dirigiert oft über 100 Aufführungen pro Jahr und komponiert nebenbei.
Jetzt sitzt er an Bord eines Schiffes, das ihn von New York nach Europa bringen soll, samt Ehefrau Alma und Tochter Anna. Doch Mahler geht es seit Jahren schlecht, er hat sich körperlich zu viel zugemutet, seine Krankheiten nicht auskuriert, ein Besessener. Darüber hat er seine Frau und seine Töchter vernachlässigt. Dann stirbt auch noch seine lebhafte, fröhliche Tochter Maria , ein Sonnenschein. Und so sitzt er auch bei schlechtem Wetter an Bord und sinniert über sein Leben nach. Er ist 50, doch was hat er alles versäumt: Die Liebe zu seiner Frau nicht gepflegt, so dass sie sich - 20 Jahre jünger als er - einen Geliebten genommen hat, kaum Freunde, viel Feind, viel Ehr ... Er merkt, dass es über kurz oder lang zu Ende geht: "Es kam ihm vor, als läge das alles ein Leben weit zurück. Man schlägt einen Ton an, und der schwingt dann weiter im Raum. Und trägt doch schon das Ende in sich". Er beschäftigt sich an Bord mit dem letzten Satz seiner 9. Smphonie und redet mit dem Schiffsjungen, der für seinen persönlichen Komfort abgestellt ist, während seine Familie ihn an Deck allein lässt, wie er es sich wünscht. Dieser Schiffsjunge berichtet dann auf den letzten Seiten vom Tod des berühmten Musikers.
Inhaltlich passiert im Grund wenig in diesem kleinen Roman. Ein Räsonieren dieses berühmten Mannes über sein Leben, seine Manie, seine vertanen Chancen. Und doch malt Seethaler hier für mich das Bild eines Egomanen, eines Mannes ohne viel Empathie, die er nur zeigt ,wenn er selbst Zuwendung möchte oder sich verlassen fühlt, doch dann schläft Anna in einer Szene schon enttäuscht von ihrem Mann ein. Und enttäuschen hier im Wortsinn: sie hat sich in einen anderen faszinierenden Mann verliebt, der dann aber nie Zeit für sie hatte. Kann man es verdenken, dass sie sich anderweitig umgetan hat ? Mahler ist ein Mann, der sich nicht mal um sich selbst kümmert, der Tod der Tochter hat ihn getroffen, aber im ganzen Buch finde ich nichts, wie Alma gelitten haben muss und noch leidet. Immer geht es nur um Mahler und sein Befinden. Das wird auch noch recht kühl und in knappen Sätzen beschrieben. Klar, das ist Seethalers Stil, alles bleibt dadurch aber ohne Leben.
Spannend wird das Buch nur dann, wenn es von den Erfolgen Mahlers berichtet, den Auftritten, der Neugestaltung des Vortrags in Opernhäusern, den Neubauten extra für sein großes Orchester.. aber das ist zu wenig, alles bleibt fragmentarisch. Wenn ich nicht seine Biografie nachgelesen hätte, würde ich vieles nicht verstehen, da ich bislang wenig von Mahler wusste.
Für mich war das ein sehr herbes Buch, trotzdem habe ich wenig von Mahler erfahren, die Beschreibung blieb für mich an der Oberfläche. Robert Seethaler hat andere, großartige Bücher geschrieben, dieses gehört für mich nicht dazu.