Eloquent und oberflächlich

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sursulapitschi Avatar

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An dieses Buch hatte ich große Erwartungen, das Thema ist spannend, der Autor hoch gelobt und die Idee schon im Kern tiefsinnig.

Gustav Mahler ist todkrank und geht auf seine letzte Reise. Er fährt mit dem Schiff von Amerika nach Europa, lässt sich an Deck umsorgen und blickt auf sein Leben zurück.

Robert Seethaler erzählt souverän und plastisch, es ist kühl an Deck, der Wind weht, die Melancholie ist mit Händen zu greifen. Leider lebt ein Buch nicht allein durch Atmosphäre. Dass man hier keine Handlung erwarten kann, liegt nahe. Leider hält sich auch der Informationsgehalt in Grenzen. Man bekommt den Eindruck eines kapriziösen, despotischen, kränklichen Genies und blickt episodenhaft in sein Leben, nur sind die Episoden knapp gehalten und schaffen es nicht, Mahlers Persönlichkeit zu reflektieren.

Was macht das Genie zum Genie? Ein Hauch Besessenheit schimmert durch, wenn Mahler erzählt, wie er stundenlang Vogelstimmen lauscht und ihren Gesang zu Papier bringt, aber es bleibt nur eine Idee. Hauptsächlich scheint er arrogant und egozentrisch zu sein, und bedauert sich gründlich selbst. Sein einzig liebenswerter Wesenszug ist die Liebe zu seiner Familie. Aber auch diesbezüglich bleibt das Buch zurückhaltend. Man lernt über Alma Mahler nicht viel mehr, als dass sie schön und loyal ist, obwohl sie durchaus eine schillernde Persönlichkeit gewesen sein muss.

„Der letzte Satz“ ist ein Buch, das sich viel vorgenommen hat und leider nur wenig davon einlöst. Es kratzt elegant und eloquent an der Oberfläche eines großen Themas, gelangt aber nicht in die Tiefe. Vielleicht ist das Büchlein dann doch einfach zu kurz für so viel Inhalt.