Rückblick mit Reue

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Seethaler ist dem Thema seiner letzten Bücher - Rückblicke auf ein Leben - treu geblieben. Nachdem in "Das Feld" die verschiedenen Toten eines kleines Ortes zu Wort kamen, geht es nun um den Komponisten und Dirigenten Gustav Mahler.

1910 ist er an Deck eines Schiffes auf dem Rückweg von New York nach Europa. Er ist krank, leidet und hat Schmerzen und er weiß, dass dies seine letzte Reise ist. Mit an Bord sind seine Frau Alma und seine Tochter Anna, die beiden sind ständig "unten", er ist allein oben an Deck und wird von einem Schiffsjungen versorgt. Und da hält er nun Rückblick auf sein Leben, er denkt an die Schritte seiner Karriere, an Alma, die schönste Frau Wiens, an seine andere Tochter Maria, die mit 4 Jahren gestorben ist. Er denkt darüber nach, wie wenig Zeit er für die Kinder und Alma hatte. Sie hat eine Affäre mit dem Architekten Gropius, ihn aber nicht verlassen.
Er weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat (Gustav Mahler starb 1911 mit 51 Jahren), nimmt vorweg schon Abschied vom Leben und blickt noch einmal zurück, auf schöne und traurig Abschnitte.

Das schmale Buch (126 Seiten) enthält kaum Handlung, es sind überwiegend Erinnerungen und Reflexionen. Diese kreisen um die Themen Reue, Schmerz, Einsamkeit, Sterben, aber es geht auch um Glücksmomente und Liebe.

Seethaler bleibt seinem Stil treu: ruhig, mit leisen Tönen, melancholisch, poetisch, schnörkellos schöne Sätze.

Wer "Das Feld" und "Ein ganzes Leben" gelesen hat, wird auch dieses neue Buch mögen. Aus meiner Sicht sind die vorigen aber besser. Was mir etwas gefehlt hat: Die Leidenschaft, in erster Linie zur Musik und in zweiter zu Alma, von der gesprochen wird und die ja auch da gewesen sein muss, war für mich nicht spürbar. Es blieb distanziert und fremd und vage und hat mich nicht so gefangen, wie die letzten Bücher. In Schulnoten: Wenn die vorigen (zusammen mit dem Trafikanten) von mir eine 1 bekommen, gibt es diesmal eine 2, aber auch eine 2 ist natürlich gut.

Alles in allem ein typischer ruhiger Seethaler, der etwas distanzierter bleibt, aber auf melancholische Art von Menschen und ihrem Leben erzählt und natürlich dazu anregt, das ein oder andere an Infos zu Mahler und seiner Frau nachzulesen und auch in die Musik hinein zu hören.