An den Ufern des Tiber

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mammamia Avatar

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"Der letzte Sommer in der Stadt" von Gianfranco Calligarch ist ein Roman, der eine "Wiederauferstehung" durchlaufen darf. Erstmals veröffentlicht in den 1970ern war er bald vergriffen und er wurde tatsächlich erst 20216 ins Deutsche übersetzt. Jetzt gibt es wieder eine Neuauflage und das zurecht.

Als Leser begleitet man Leo, einem jungen Mann, der sich von der Nabelschnur seiner Familie löst, um in Rom sein Glück zu versuchen. Er findet Arbeit bei einer Sportzeitung, hängt mit Freunden an den bekannten Plätzen in Rom ab und er verliebt sich in Arianna. Eine Frau, die ein Päckchen mit sich rumträgt und nur bedingt Nähe zulässt.

Sehr atmosphärisch und dicht beschreibt Calligarch das Rom der 1970er. Die Stadt ist wohl DER Protagonist schlechthin und bietet DIE große Bühne für die Figuren des Buches, sie dürfen sich in ihr verlieren, in ihr leben, in ihr feiern und sich in ihr verlieben. Weiters schafft es der Autor sehr visuell kleine Szenen darzustellen und dies mit wenigen Worten. Ab und an fühlt man sich, als ob man einen Film lesen würde. Stilistisch fährt Calligarch also wirklich alles auf, was man sich literarisch nur wünschen kann und er hat dabei eine sehr eigene Stimme.

Leo erzählt seine Geschichte aus seiner Sicht (Ich - Form) und nimmt einen mit. Er ist einerseits ein eleganter, belesener und intelligenter junger Mann, andererseits lässt er sich sehr treiben. Besonders zu Beginn des Buches lebt er, mit einer gewissen Selbstgefälligkeit, den Traum eines richtigen Bohemians, der sich einfach so dem Tag hingeben kann. Der an den Strand fährt, Bücher liest, Kaffee trinkt und dann bis spät in die Nacht um die Häuser zieht. Bis ihm das Geld ausgeht und er sich dann doch einen Job suchen muss. Trotzdem bleibt er von Schicksalsschlägen nicht verschont - da ist die sehr komplizierte Beziehung zu seinem Vater, das plötzliche Wegfallen seines Freundes und die unglückliche Liebe zu Arianne. Aber Leo suhlt sich nie im Selbstmitleid, sondern wirkt immer wie der "Verlierer, der aber einfach der Held ist", was ihn sehr sympathisch macht.

Es gibt kein Happy End, was man schon früh merkt, aber zu dem man auch nicht viel mehr sagen muss.

Eine Leseempfehlung spreche ich für alle aus, die sich nach Rom entführen lassen wollen. Für alle, die sich nicht unbedingt dem gängingen Mainstream unterwerfen, was das Lesen eines Buches betrifft. Und für alle, die sich für Geschichten interessieren, in denen es menschelt. Denn genau letzteres tut es in "Der letzte Sommer in der Stadt".