Segel setzen

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milena Avatar

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Rom, Anfang der 70er Jahre, ist der Schauplatz des nach meiner Meinung etwas zu stark gehypten Romans, der eine Zeitlang nicht mehr aufgelegt war und jetzt neu in 20 Sprachen übersetzt wird. Romliebhaber kommen voll auf ihre Kosten. Viele Schauplätze kennt man von einem eigenen Aufenthalt in der Stadt und die Atmosphäre der Stadt ist perfekt eingefangen und wiedergegeben -und das trotz einer Beschreibung, die vor circa 50 Jahren erfolgte. Beeindruckend ist die sprachliche Virtuosität des Autors, der -abgesehen von dem inflationär gebrauchten "die Segel setzen" wundervolle sprachliche Bilder findet und seine Figuren auch sehr trefflich zeichnet. Zur Geschichte selbst ist es schwieriger, eine zutreffende Beurteilung zu fällen. Auf der einen Seite muss man zugestehen, dass die beschriebene Clique genau dieses sorglose und relativ unbeschwerte Leben führt, das ihrem Alter und dem Zeitgeist entspricht. Man zieht von Bar zu Bar, genießt den Tag und glaubt, dass man bereits gestresst sein darf, wenn man als einzige Tagesaktivität mehrere Stunden am Strand verbracht hat. Auf der anderen Seite zeigt sich natürlich auch eine nicht zu vernachlässigende Schattenseite dieser Lebensführung. Man kreist nur um sich, kokettiert mit der Suche nach einer sinnvollen und erfüllenden Lebensgestaltung, behandelt andere herablassend, ist sich aber nicht zu schade, sich durchs Leben zu schnorren und sich freimütig -wo es nur geht- zu bedienen. Hauptfigur ist Leo Gazzarra, der von Mailand nach Rom kommt, um sein Glück zu finden, und als relativ skrupelloser und ichsüchtiger Mensch beschrieben wird. Berühren kann ihn offensichtlich nur die exzentrische Arianna, die weniger als halbherzig ein Architekturstudium betreibt und ansonsten -top gestylt- ziel- und planlos durch den Tag und vor allem die Nacht treibt. Wenn man bereit ist zu akzeptieren, dass Figuren eines Romans dem Leser nicht sympathisch sein müssen, wird einem das Buch gefallen.