Vergangenes Lebensgefühl...

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mike nelson Avatar

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Es ist gut, dass Gianfranco Calligarich's Roman "Der letzte Sommer in der Stadt" aus dem Jahr 1973 noch einmal neu aufgelegt worden ist, beschreibt er doch ein Lebensgefühl, welches in unserer strebsamen Welt der Arbeit nahezu völlig in Vergessenheit geraten ist. Das Ende vorwegnehmend: "Ich denke, alles strebt zum Meer. Zum Meer, das alles aufnimmt, all die Dinge, die nie geboren werden konnten, und die für immer gestorbenen. Ich denke an den Tag, an dem sich der Himmel auftun wird und sie, zum ersten Mal oder erneut, ihre Daseinsberechtigung erlangen." Leben mit Ambivalenzen: Ganz das Leben kosten, oder vergehen; das Nichtstun bei gleichzeitigem ständig Unterwegssein. Für ein Jahr in Rom, der Sommer, eine Liebe, die nicht funktionieren will, aber gleichzeitig ungeheuer präsent ist; der Tod eines Freundes; Rumhängen und Trinken bis zur Sucht; sich ständig auf den sonnigen Plazas und in Restaurants aufhaltend; täglich das volle Leben kostend, sich aber irgendwie auch im Kreise drehend; das Hier und Jetzt genießend, aber ohne eine richtige Zukunft auch verloren sein. Als Leser:in wird man in ein Stimmungsgemisch zwischen Sinnesfreuden, Melancholie und Verzweiflung hineingezogen: "Nie hatte ich so sehr gespürt, dass sie zu mir gehörte, wie in diesem Moment, als sie einem anderen gehörte. Dumm gelaufen. Ich wusste, was das hieß, nämlich dass sie nur zu mir gehören konnte, wenn sie einem anderen gehörte." Ein bisschen 'Taugenichts', ein wenig 'Die Gleichgültigen' von Alberto Moravia. Wer sich in die Geschichte hineinziehen lassen kann, wird ein wunderbares Leseerlebnis haben.