Überleben?!

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Das Buch hat schon etwas ganz Besonderes inne, noch bevor man beginnt, es zu lesen. Das Titelbild mit der Rückenansicht eines Jungen in Häftlingskleidung, der auf Schienen geht; im Hintergrund Wachturm, Baracken und ein weiteres Gebäude. Wer Auschwitz besichtigt hat, weiß sofort, worauf sich das Bild bezieht. Der Titel ergänzt die Bildaussage: "Der letzte Überlebende". Der Junge steht für den jungen Mann, der die Hölle überlebt hat. Sam Pivnik. Der Autor erzählt von sich selbst. Seine eigene Geschichte. Des Überlebens.

Man ist berührt und demütig, noch bevor man angefangen hat zu lesen. Und man weiß, dass einen das, was man lesen wird, noch mehr berühren wird. Einen fassungslos lassen wird. Nachdenklich. Schockiert. Traurig. Voller Fragen.

Die Leseprobe umfasst den Prolog des Buches - benannt "Begegnung mit dem Todesengel"- und ein weiteres Kapitel "Die Rampe".
Im Prolog schildert der Autor, wie knapp er dem Tod auf der Krankenstation entging, als Mengele ihn zunächst in den Tod schicken wollte, weil er schwer krank war, wie er ihn, was ihm im Rückblick völlig unerklärlich scheint, überzeugen konnte, sich anders zu entscheiden.
Im Kapitel "Die Rampe" erzählt er von seinem Alltag im Lager, seiner Zuteilung zum Rampenkommando. Er schildert die Ankünfte der aus allen Teilen Europas kommenden Juden. Und er begreift durch den Einsatz dort auch, was mit seiner eigenen Familie passiert ist durch die gnadenlosen, willkürlichen Selektionen.

Die Sprache ist so bildreich und gewaltig, dass sie die eigene Nachdenklichkeit, das eigene Entsetzen, die Traurigkeit noch umein vielfaches verstärkt.

"In Auschwitz gab es keinen Kalender. Keine Daten, keine Geburtstage oder
Gedenktage, nichts, was die Zeit strukturiert hätte." (Seite 3)

"Rechts hieß Leben, links hieß Tod. So hatte ich auch meine Familie verloren. Sie waren Verlierer in der entsetzlichen Lotterie, die die
Nazis ins Leben gerufen hatten." (Seite 5 f.).

"Und ich erinnerte mich an die angstvollen Augen, die durch die
Fugen der Holzbretter aus der Dunkelheit gestarrt hatten. Sahen Schafe so aus, fragte ich mich, wenn sie zum Schlachter gefahren wurden?" (Seite 8)

"Die Gottlosen spielten Gott. So einfach und unausweichlich war das." (Seite 10)

"Ich bin nicht stolz auf meine Arbeit an der Rampe. So wie alle anderen wurde ich dort zu einem Geier in Menschengestalt." (Seite 16)

"Lange Zeit dachte ich, ich hätte eine Art surrealen Film von meiner Zeit auf der Rampe im Kopf." (Seite 26)

Auf dem Bucheinband vorn steht: "Die Leute fragten mich oft, warum ich so lange gewartet habe, meine Geschichte zu erzählen. Das ist eine einfache Frage. Aber die Antwort ist es nicht."
Wenn man die Seiten gelesen hat, weiß man, dass das stimmt!