Fesselnde Zeitreise

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marialein Avatar

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Wie würde unser Leben wohl heute aussehen, wenn die Geschichte ein wenig anders verlaufen wäre? Wären wir trotzdem dieselbe Person, oder würde es uns vielleicht gar nicht geben?

Diesen Fragen geht Natasha Pulley in ihrem neuen Roman „der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit“ sehr eindrücklich und bildhaft nach. Ihr Protagonist Joe Tournier findet sich auf einmal in Londres am Gare du Roi wieder, ohne jede Erinnerung, wie er dorthin gekommen ist. Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, wie die französischen Namen der Orte von Londres, kommen ihm völlig fremd vor.

Nach und nach lebt er sich in sein gefühlt neues Leben ein, bis ihn eine Postkarte erreicht: fast hundert Jahre hatte sie auf dem Postamt auf ihn gewartet, nun lockt sie ihn mit den Worten „Liebster Joe, komm nach Hause, wenn du dich erinnerst. M.“ und dem Bild eines Leuchtturms in eine abenteuerliche Reise durch Raum und Zeit.

Schon der Klappentext las sich so aufregend mysteriös, dass klar war, dass ich Joe bei seinem Abenteuer begleiten musste. Und ich wurde nicht enttäuscht; von Galapagos-Schildkröten über historische Seeschlachten bis hin zu Telegraphen neunzig Jahre vor ihrer tatsächlichen Entwicklung bietet der Roman die Spannung und Gedankenakrobatik, die ich mir davon erhofft hatte.

Womit er meine Erwartungen noch übertroffen hat, waren der emotionale Tiefgang, eine gewisse Heiterkeit in der Erzählweise und die herrlich-schaurige Gruselatmosphäre in dem verlassenen Leuchtturm, die mich am Anfang des Buchs direkt süchtig gemacht haben.

Diesen Roman legt man zwar nicht so leicht aus der Hand, so dass selbst die ansehnliche Seitenzahl von 544 viel zu schnell vorbei ist. Aber die Gedankenexperimente, wie sich ein Detail, das sich in der Vergangenheit ändert, wohl auf den weiteren Verlauf der Geschichte auswirken würde, können einen zum Glück auch nach der Lektüre noch lange begleiten und faszinieren.