Philosophischer Sci-Fi-Klassiker mit Frischesiegel

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alasca Avatar

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Walter Tevis´ Roman, der bereits 1963 erschien, war die literarische Grundlage für den gleichnamigen Film von Nicolas Roeg, der mit David Bowie in der Hauptrolle 1976 in die Kinos, und die Serie, die 2022 auf den Markt kam. Der Roman spielt beginnend 1985, also gut zwanzig Jahre in der Zukunft.

Thomas Jerome Newton ist ein humanoider Alien, der auf die Erde gekommen ist, um das auf 300 Individuen geschrumpfte Volk seines Wüstenplaneten zu retten. Seine überlegene Intelligenz und sein Wissen erlauben ihm die Gründung einer Reihe von Technologiefirmen, mit deren Hilfe er bald so viel Geld verdient hat, dass er mit der Realisierung seiner Pläne beginnen kann. Seine einzigen Freunde auf der Erde sind Betty Jo, seine Haushälterin, und Nathan Bryce, der ihn als Wissenschaftler unterstützt. Das Zeitfenster, in dem ein Weltraumstart in seine Heimatgalaxie möglich ist, ist eng, aber nicht unrealistisch. Nur hat Newton den Faktor Homo sapiens nicht einkalkuliert.

Die Geschichte wird linear aus der allwissenden Perspektive erzählt. Mit Newtons Augen schauen wir auf den kalten Krieg und die allgegenwärtige Angst vor einem Atomkrieg. Sein Blick zeigt uns den sinnlosen Konsumismus der Vorstadt-Mittelschicht und jenseits davon die „enorme, gleichgültige Masse von Menschen, die keinerlei Werte oder Ambitionen besaß“, so wie Betty Jo, die in einem permanenten, sanften Gin-mit-Zucker-Stupor lebt. Aus Bryces Sicht erleben wir den Wahnsinn der Entwicklung von Nuklear- und Biowaffen. Betty Jo verliebt sich in Newton wegen seiner sanften Anständigkeit, die Tevis in scharfen Kontrast zur menschlichen Verfasstheit setzt. Aufgrund dieser wachsen in Newton mit der Zeit Zweifel an seinem Projekt:

„Es gibt gewisse Aspekte an ihrer Kultur hier, ihrer Gesellschaft, von denen wir in Anthea nichts ahnten. Wissen Sie, Dr. Bryce, manchmal denke ich, dass ich in ein paar Jahren verrückt werden könnte. Ich weiß nicht, ob mein Volk ihre Welt ertragen könnte“.

Der Roman baut eine subtile Spannung über der Frage auf, ob Newton an seinen Plänen festhalten wird oder nicht. Die Spannung erreicht ihren Höhepunkt, als eine überraschende Entwicklung dem Alien die Fäden aus der Hand nimmt.

Tevis´ Erzählton ist melancholisch, seine Sprache klar und schnörkellos. Es gibt übrigens auch keine Sexismen, was in der Zeit absolut keine Selbstverständlichkeit war. Auch seine knappe, präzise Figurenzeichnung hat mir sehr gefallen. Wie jeder gute Sci-Fi hat der Roman die Gegenwart im Blick; ich habe gestaunt, wie frisch er (nicht nur thematisch) trotz seines Alters daherkommt. Vor allem aber gefiel mir die ganz eigene Atmosphäre und Bildhaftigkeit, die den Roman auszeichnet. Tevis hat hier den seltenen Fall des literarischen, ja philosophischen Sci-Fi-Romans geschrieben.

Empfehlung!