Walter Tevis überzeugt mit gesellschaftskritischer Science-Fiction

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lia48 Avatar

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„Er war menschlich, aber nicht wirklich ein Mensch. Und wie ein Mensch war er anfällig für Liebe, Angst, heftigen körperlichen Schmerz und Selbstmitleid.“


INHALT:
Kentucky, 1985: Er weist sich als Thomas Jerome Newton aus, gibt an, ein Dolmetscher aus England zu sein, doch niemand kennt ihn.
Und er kannte die Menschen vorher nur aus dem Fernsehen. Sie nun live zu sehen und das Leben auf dieser Erde zu bestreiten, das ist für ihn nochmals etwas ganz anderes!
Sein Körper wiegt plötzlich so schwer, dass er starke Schmerzen bekommt – er ist die Schwerkraft schlichtweg nicht gewohnt. Und auch die viel höheren Temperaturen machen ihm zu schaffen.
Sein Erscheinen wirkt ungewöhnlich: So groß und zerbrechlich, mit weißem Haar und zugleich das jungenhafte Aussehen. Niemand weiß, dass er kaum Schlaf benötigt, seine Pupillen unter den Kontaktlinsen schlitzförmig sind, er angeklebte Fingernägel trägt, und nur vier Zehen je Fuß, keinen Blinddarm und keine Weisheitszähne besitzt.

Newton wendet sich an einen Anwalt, spezialisiert auf Patente. Mit ihm an seiner Seite schafft er es, sich einen Namen zu machen. Mit außergewöhnlichen, neuartigen Technologien, verdient er innerhalb kürzester Zeit Millionen. Denn er ist der menschlichen Intelligenz weit überlegen...
Sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Bryce ist besonders angetan von seinem Chef. Newtons neuartige Technologien sind so außergewöhnlich, dass sie genauso gut von Außerirdischen stammen könnten!
Und Newton scheint eine Mission zu haben. Doch was hat er vor?


MEINUNG:
Wäre ich letztes Jahr nicht absolut begeistert von „Das Damengabit“ von Walter Tevis gewesen, hätte ich vermutlich nicht zu „Der Mann, der vom Himmel fiel“ gegriffen. Denn ich muss zugeben, dass Science-Fiction bei Büchern sonst nicht mein Genre ist. Doch ich wollte dieser Neuübersetzung des Buches (Original: 1963) eine Chance geben. Und ich habe es nicht bereut! Dies zeigt wieder einmal, dass es sich lohnen kann, wenn man ab und zu auch über den eigenen Tellerrand schaut und sich aus seiner Komfortzone heraustraut. Und, dass manche Bücher auch 59 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung, noch aktuell sein können.

Erneut hat mich der Autor mit seinem anschaulichen Schreibstil überzeugt. Er beschreibt die Umgebung, das Erleben und die Sinneseindrücke so atmosphärisch, dass direkt Bilder im Kopf entstehen.
Allein das Auftreten der Figuren sorgte in meinem Kopf für großes Kino.
Hätte mir vor Kurzem jemand gesagt, dass ich bald ein Buch über einen Außerirdischen lesen würde, hätte ich ihm wohl einen Vogel gezeigt! Doch bei Walter Tevis habe ich das Gefühl, er hätte alles schreiben können und ich würde es lesen.
Auch wenn es mir hier ab und zu einen Tick zu viel um Wissenschaften ging, wurde meine Aufmerksamkeit trotzdem überwiegend aufrechterhalten.
Eine Geschichte über einen Außerirdischen – das klingt ja erst etwas verrückt. Tatsächlich wurde die Handlung aber gar nicht so skurril, wie befürchtet, da Newton versucht, sich so gut wie möglich, an die Menschen anzupassen und ihnen immer ähnlicher wird. Hier hat der Autor einen guten Mittelweg gefunden, ohne mich zu verscheuchen.

Vermutlich das erste Mal in meinem Leben habe ich Mitgefühl für einen Außerirdischen empfunden. Ich habe mit ihm mitgefiebert, als es ihm gesundheitlich so schlecht ging, weil er versucht hat, mit den anderen Lebensbedingungen auf der Erde klarzukommen. Oder, als er sich einsam gefühlt hat, so weit entfernt von seinem Zuhause. Und ich habe mich lange gefragt, was er nur auf der Erde vorhat.

Man kann das Buch schlecht mit „Das Damengambit“ vergleichen – es ist nun mal ein ganz anderes Genre. Und trotzdem konnte mich der Autor erneut von seiner Schreibkunst überzeugen.

Vom Ende war ich kurz etwas enttäuscht, ich dachte, dass mir irgendetwas fehlen würde. Doch die Lektüre regt schließlich zum Nachdenken an, über unsere Gesellschaft und unser Handeln. Und sie wirkt noch lange in einem nach…

FAZIT: Ein gelungener Ausflug in Richtung Science-Fiction, ohne zu skurril oder zu übertrieben zu wirken. Erneut überzeugt Walter Tevis mit seiner Schreibkunst und hält uns als Gesellschaft den Spiegel vors Gesicht. 4-4,5/5 Sterne!

(TW: Alkoholismus, evtl. Depression)