Was es heißt, ein Mensch zu sein

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
schmiesen Avatar

Von

"Diese Welt, wie intensiv er sie auch studiert, wie oft er seinen Part darin geprobt haben mochte, war so unglaublich exotisch, das Gefühl, jetzt, da er fühlen konnte, dieses Gefühl war einfach überwältigend."

Thomas Jerome Newton ist wortwörtlich vom Himmel gefallen. Als einer der letzten Überlebenden einer intelligenten außerirdischen Spezies hat er den Weg zur Erde auf sich genommen, um seine Art zu retten. Innerhalb kürzester Zeit bringt er mehrere revolutionäre Erfindungen auf den Markt und wird zum Multimillionär. Das ruft gerade beim Chemiker Nathan Bryce Skepsis hervor. Was steckt hinter dem mysteriösen Mann?

Seit der Netflix-Adaption des Damengambits wird Walter Tevis wiederentdeckt, und das absolut zurecht. Er beweist sich auch hier wieder als genauer Beobachter menschlichen Seins, selbst wenn es um einen Außerirdischen geht. Newton ist kein Mensch, aber menschlich genug. Irgendwie muss er versuchen, sich auf der Erde zurecht zu finden - mit der für seinen Körper zu großen Schwerkraft, mit der geistigen Beschränktheit der Spezies Mensch, mit der totalen Einsamkeit als einziger seiner Art. Es sind zutiefst existenzielle Fragen, die sich da auftun, und diese lassen sich leicht in etwas allgemein Menschliches übersetzen: Sind wir nicht alle irgendwie die Einzigen unserer Art? Sind wir nicht alle dazu verdammt, an zu viel Schwerkraft und körperlichen sowie geistigen Schmerzen zu zerbrechen? Tevis zeigt das Menschliche durch das Beinahe-Menschliche.

Newtons außerirdisches Leben wird dabei nur schlaglichtartig beleuchtet. Es gehtTevis ganz offenkundig nicht darum, eine außerirdische Spezies in all ihren Feinheiten darzustellen. Vielmehr ist es eine Parabel darauf, was passiert, wenn ein Atomkrieg losbricht, der ganze Welten zerstört. Im Kontext der Entstehungszeit ist das natürlich hochrelevant - und wie traurig, dass es gerade heute wieder ein Thema ist. So ist der Roman aus seiner Zeit herausgetreten und wird heute wieder wichtig für die Frage, was für eine Art Menschheit wir sein wollen.

Die anderen Personen in Newtons Dunstkreis bleiben eher blass, beinahe wie sein außerirdisches Ich. Er öffnet sich nur sehr wenigen Menschen, und die Beziehungen und Charaktere leben vor allem in den brillanten Dialogen. Nathan Bryce ist fasziniert und zugleich skeptisch, als er Newtons steilen Aufstieg und seine unglaublichen Erfindungen näher untersucht. Und Betty Jo hilft Newton, der dann wiederum ihr hilft. Die Gefühle, die sie laut Klappentext für ihn entwickelt, sind allerdings eine ziemliche Randerscheinung und haben mit der Geschichte beinahe nichts zu tun. Man sollte also keine irgendwie geartete Liebesgeschichte erwarten.

Die Geschichte verläuft ohne großen Spannungsbogen, mit einigen Perspektivwechseln und einem Showdown, der auf Dialogen und Subtilitäten fußt. Insgesamt also ein ruhiger und philosophischer Beitrag zur Science Fiction, der mich konstant zum Lesen animiert hat.