Zurück in die Zukunft mal anders

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Anlässlich des großen Erfolgs der amerikanischen Mini-Serie „Das Damengambit“ („The Queen’s Gambit“), 2020 verfilmt nach der Romanvorlage von Walter Tevis von 1983, nimmt man auch andere ältere Romane dieses Autors wieder hervor.

Frisch und neu übersetzt von pociao und Roberto de Hollanda wurde Walter Tevis Roman „Der Mann, der vom Himmel fiel“ („The Man who fell to Earth“) aus dem Jahr 1963. Seine Verfilmung mit David Bowie ist schon lange Kult. Lohnt es sich nach fast 60 Jahren diese Geschichte wieder zur Hand zu nehmen?

Meine Antwort ist ein ganz klares Ja! Warum? Eigentlich ist der Plot des schmalen Bandes fast täuschend simpel. Tevis erzählt ihn in einer einfachen und recht unkomplizierten Sprache. Doch dahinter verbirgt sich eine unerwartete Tiefe. Bedeutung und leider auch tragische Aktualität.

Die Handlung hat der Autor damals in seine eigene nahe Zukunft gelegt: in die späten 1980iger Jahre. Die sind für uns schon längst wieder Geschichte. Doch die Handlung ist so überzeitlich und fast schon parabelhaft, dass sie absolut nicht wie ein angestaubter Science-Fiction wirkt.

Das Leben des Thomas Jerome Newton startet sehr plötzlich im US-Staat–Kentucky. Denn bei ihm handelt es sich um einem Außerirdischen, der vom Planeten Anthea gezielt auf der Erde gelandet ist. Sein Auftrag lautet: im Laufe von Jahrzehnten mit Hilfe finanzieller Transaktionen und „Erfindungen“, die auf seinem hohen technischen Wissen beruhen, ein Raumschiff zu erstellen. Damit sollen die verbliebenen Bewohner seines verwüsteten Planeten Richtung Erde gerettet werden. Ihre Absichten sind im Prinzip nicht negativ und könnten durchaus positiv auf die Erde wirken.

„Wir könnten Sie davor bewahren, sich selbst zu vernichten, wenn wir schnell genug sind.“
S 186

Newton sieht zwar durch ein paar kleine Hilfsmittel menschlich aus, ist aber kein Mensch. So muss sich das große aber zarte, zerbrechliche Wesen körperlich und seelisch schmerzhaft an das Leben der Erdlinge anpassen. Das Zurückgeworfensein auf sich selber, die Distanz zu den Menschen werden zu einer dumpfen Einsamkeit und Melancholie. Dazu tragen dann auch nicht nur die zunehmende Entfremdung zu Herkunft und Auftrag, sondern bestimmt auch die Verzweiflung an den irdischen Zuständen bei.

„Ist Ihnen klar, dass Sie nicht nur Ihre Zivilisation zugrunde richten und einen Großteil der Erdbevölkerung vernichten, sondern auch die Fische in Ihren Flüssen, die Eichhörnchen in den Bäumen, die Vogelschwärme, Boden und Wasser vergiften werden? Es gibt Zeiten, in denen Sie auf uns wirken wie losgelassene Affen in einem Museum, die mit Messern auf die Leinwände und mit Hämmern auf die Statuen losgehen.“
S. 198

Die ihm zur Seite gestellten anderen Charaktere wie Betty-Jo und dem Wissenschaftler Bryce sind sehr speziell, aber durchaus sympathisch.
Trotz dem Grundton der Traurigkeit, der Zerrissenheit und der Ängste (die auch die amerikanische Regierung am Ende zu Abartigkeiten treibt), schwingt immer wieder auch humorvolle Stimmung hinein

„Mein Gott“, sagte er. „Es ist kaum zu glauben. Ich sitze in diesem Zimmer und bilde mir ein, mich mit einem Mann von einem anderen Planeten zu unterhalten.“
„Ja“, nickte Newton. „Das habe ich auch eben gedacht. Ich unterhalte mich ebenfalls mit jemand von einem anderen Planeten, wissen Sie.“
S. 193

Fazit
Ein immer noch sehr lesenswertes Buch in sehr gut lesbarer Neuübersetzung, das seine Aktualität und seinen Auftrag nicht verloren hat. Leider kann es uns nicht die Hoffnung schenken, dass uns ein Außerirdischer aus unserem Dilemma befreien kann.