Leben und Sterben in New York

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owenmeany Avatar

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Wer dieses Buch aufschlägt in Erwartung eines dieser gewöhnlichen Kriminalromane mit Täter, Ermittlung und Verhaftung, läuft Gefahr, enttäuscht zu werden. Potenzielle Spannungsleser möchte ich ausdrücklich davor warnen, was nicht bedeutet, dass sich dieses Buch nicht äußerst packend liest. Es setzt jedoch ein geduldiges Interesse an den Lebensumständen der vorletzten Jahrhundertwende, den Gerichtsgepflogenheiten und den sich gerade entwickelnden Auswüchsen großer Pressekonzerne voraus.

Wenn auch die gerichtlichen Ermittlungen immer wieder neue Überraschungen zu Tage fördern, sind die Hauptbeschuldigten relativ schnell gefunden. Gerichtsmedizinische Untersuchungen sind noch in den Kinderschuhen, die Beweislage ist aus heutiger Sicht dilettantisch.

Das Hauptthema dieses Krimis stellt die durch die neuen Boulevardzeitungen geschürte Massenhysterie dar, die man sich in dieser Form heute gar nicht mehr vorstellen kann - oder doch? So sieht man alle handelnden Personen allerdings gefiltert durch zeitgenössische Presseberichte, was ihre persönliche Struktur so verschwimmen lässt, dass es dem Leser eine wirkliche Identifikation unmöglich macht.

Durch 50 Seiten Fußnoten und Quellenangaben belegt der Autor akribisch die Authentizität des Dargebotenen. Dies vorausgesetzt ist ihm eine ausgesprochen lebendige Erzählung gelungen, die mit sachkundigen Details punktet. Der Leser muss sich aber darauf einlassen.

An einem exemplarischen Fall wird so die öffentliche Mentalität in den alles umwälzenden Jahren vor dem ersten Weltkrieg entblöst und nicht zuletzt die kriegstreibende Rolle des Hearst-Konzerns angedeutet. Ich habe dieses Buch, das weit über einen normalen Krimi hinausführt, mit großem Erkenntnisgewinn gelesen.