Wenn Ideale die Liebe töten
Das gestörte Verhältnis von Mutter zu Tochter oder Tochter zu Mutter wird in der Gegenwartsliteratur gern als Aufhänger für einen Familienroman oder für Biografien benutzt (schöne Beispiele: von Alena Schröder "Bei euch ist es immer so unheimlich still" oder von Angelika Schrobsdorff "Du bist nicht so wie andre Mütter"). Gerade diese beiden eigentlich so eng verbundenen Menschen sind als Kontrahentinnen oft bis aufs Messer verfeindet, ohne dass sich ein Silberstreif am Horizont zeigt. Melanie Levensohn hat genau das zu ihrem Thema gemacht. Es ist ihr zweiter großer Roman, den ersten habe ich leider nicht gelesen, das werde ich nun nachholen.
Im Roman begegnet dem Leser zuerst die Mutter, Johanna Glück, die ihren Job bei der UN in New York mit 60 Jahren hinter sich lässt und den Versuch eines Neuanfangs im kleinen Städtchen St. Goar am Rhein startet. Sie erbt das Haus ihrer Tante Toni, sie kennt es von Kindheit an, auch ihre längst erwachsene Tochter war oft bei der Tante zu Besuch. Kaum angekommen, lernt sie ihren Nachbarn Richard, einen Arzt aus der näheren Nachbarschaft kennen. Zwischen beiden prickelt es, aber Johanna versucht kühl zu bleiben und zu denken. Trotzdem genießt sie seine Hilfe im Bezug auf die Renovierung und Neugestaltung des alten, etwas heruntergekommenen Hauses und Grundstücks. In die Renovierungsaktivitäten von zwei ausländischen Handwerkern platzt die Nachricht, dass ihre Tochter, die in Den Haag am Internationaler Strafgerichtshof als Strafverteidigerin tätig ist, einen Burnout erlitten habe und in ihrem Haus Ruhe und Erholung finden möchte. Und an diesem Punkt beginnt das Drama sich zu entfalten.
Mutter und Tochter haben seit Jahren ein vollkommen unterkühltes Verhältnis. Das mag an der Gegensätzlichkeit ihrer Arbeit liegen, aber vor allem an der Erinnerung an die Kindheit der Tochter Elsa. Schweigen, Vorwürfe, Aggressivität und überzogene Reaktionen auf beiden Seiten erwarten die Leser.
Melanie Levensohn erzählt auf sehr subtile Weise von dem zuerst mühsamen Zusammenleben der beiden Frauen, wie auch von den mühsamen Versuchen, beim anderen Verständnis und dann auch Mitgefühl zu erlangen. Elsa tut sich sehr schwer damit und ist zu Beginn vollkommen hilflos und abweisend. Erstaunlich, welche Selbstbeherrschung die Mutter an den Tag legt. Hinter den Gedanken der beiden geistert immer auch die Stimme der Tante Toni herum, die zu Geduld und Mut ermahnt. Diese Geisterstimme wird aus meiner Sicht etwas zu häufig benutzt, besonders, weil der Tenor der Tante immer der gleiche bleibt.
Johanna war viele Jahre die Powerfrau, die sich bei den Vereinten Nationen in ihrem Job wahnsinnig stark engagierte, auf der Strecke blieben Ehemann Ralph und Tochter Elsa. Die detaillierten Beschreibungen der Arbeit bei den Vereinten Nationen waren es dann auch, die mir manchmal das Weiterlesen etwas verleideten, denn sie klangen wie Werbebotschaften für die UN, insbesondere das UNHCR. Dass es auf den Auslandseinsätzen auch sehr gefährlich werden konnte, schreckte die Ehefrau und Mutter jedoch keinesfalls ab, sie stürzte sich mit Vehemenz in jedes neue Krisengebiet.
Da ist es dann schon verwunderlich, dass sie sich plötzlich nur noch dem Haus und dem Garten widmet, natürlich im Hinterkopf dennoch den Gedanken, dass sie als Freelancer für die UN gern weiterarbeiten würde, wenn die Renovierungen abgeschlossen wären. Als in all diese Gedanken und Überlegungen die vollkommen erschöpfte Elsa eindringt, beginnt auch bei Johanna ein neuer Denkprozess.
Ob die beiden Frauen es schaffen werden, sich wieder einander zu nähern, das kann man auf über 400 Seiten mitverfolgen. Wer als Leser weder Mutter noch Tochter ist, kann sich vielleicht schwer hineinversetzen in das Gefühlschaos der beiden. Ich kann das sehr gut, bin beides und kenne alle nur denkbaren Hürden, die einem das Leben in den Weg legt. Gerade auch deshalb hatte ich mir dieses Buch ausgesucht, das bereits im Klappentext und auf der Umschlagrückseite die Problematik anreißt, Zitat „… über tief sitzenden Schmerz, Schuld und Versöhnung…“.
Das Buch ist flüssig geschrieben, die Kapitel wechseln zwischen der Ich-Erzählerin Johanna und der Ich-Erzählerin Elsa, so werden beide Positionen deutlich, auch die Dickköpfigkeit und Ich-Bezogenheit der beiden wird nicht ausgespart.
Ich empfehle das Buch gern, weil es auch ein Buch ist, das zur Beruhigung den Garten hat, die Farben und das Licht, den romantischen Rhein und den Blick zur Burg Katz und den Duft der reifen Mirabellen, so wie man es bereits auf dem fantasievollen Cover erahnt.
Gute 4 Sterne
Im Roman begegnet dem Leser zuerst die Mutter, Johanna Glück, die ihren Job bei der UN in New York mit 60 Jahren hinter sich lässt und den Versuch eines Neuanfangs im kleinen Städtchen St. Goar am Rhein startet. Sie erbt das Haus ihrer Tante Toni, sie kennt es von Kindheit an, auch ihre längst erwachsene Tochter war oft bei der Tante zu Besuch. Kaum angekommen, lernt sie ihren Nachbarn Richard, einen Arzt aus der näheren Nachbarschaft kennen. Zwischen beiden prickelt es, aber Johanna versucht kühl zu bleiben und zu denken. Trotzdem genießt sie seine Hilfe im Bezug auf die Renovierung und Neugestaltung des alten, etwas heruntergekommenen Hauses und Grundstücks. In die Renovierungsaktivitäten von zwei ausländischen Handwerkern platzt die Nachricht, dass ihre Tochter, die in Den Haag am Internationaler Strafgerichtshof als Strafverteidigerin tätig ist, einen Burnout erlitten habe und in ihrem Haus Ruhe und Erholung finden möchte. Und an diesem Punkt beginnt das Drama sich zu entfalten.
Mutter und Tochter haben seit Jahren ein vollkommen unterkühltes Verhältnis. Das mag an der Gegensätzlichkeit ihrer Arbeit liegen, aber vor allem an der Erinnerung an die Kindheit der Tochter Elsa. Schweigen, Vorwürfe, Aggressivität und überzogene Reaktionen auf beiden Seiten erwarten die Leser.
Melanie Levensohn erzählt auf sehr subtile Weise von dem zuerst mühsamen Zusammenleben der beiden Frauen, wie auch von den mühsamen Versuchen, beim anderen Verständnis und dann auch Mitgefühl zu erlangen. Elsa tut sich sehr schwer damit und ist zu Beginn vollkommen hilflos und abweisend. Erstaunlich, welche Selbstbeherrschung die Mutter an den Tag legt. Hinter den Gedanken der beiden geistert immer auch die Stimme der Tante Toni herum, die zu Geduld und Mut ermahnt. Diese Geisterstimme wird aus meiner Sicht etwas zu häufig benutzt, besonders, weil der Tenor der Tante immer der gleiche bleibt.
Johanna war viele Jahre die Powerfrau, die sich bei den Vereinten Nationen in ihrem Job wahnsinnig stark engagierte, auf der Strecke blieben Ehemann Ralph und Tochter Elsa. Die detaillierten Beschreibungen der Arbeit bei den Vereinten Nationen waren es dann auch, die mir manchmal das Weiterlesen etwas verleideten, denn sie klangen wie Werbebotschaften für die UN, insbesondere das UNHCR. Dass es auf den Auslandseinsätzen auch sehr gefährlich werden konnte, schreckte die Ehefrau und Mutter jedoch keinesfalls ab, sie stürzte sich mit Vehemenz in jedes neue Krisengebiet.
Da ist es dann schon verwunderlich, dass sie sich plötzlich nur noch dem Haus und dem Garten widmet, natürlich im Hinterkopf dennoch den Gedanken, dass sie als Freelancer für die UN gern weiterarbeiten würde, wenn die Renovierungen abgeschlossen wären. Als in all diese Gedanken und Überlegungen die vollkommen erschöpfte Elsa eindringt, beginnt auch bei Johanna ein neuer Denkprozess.
Ob die beiden Frauen es schaffen werden, sich wieder einander zu nähern, das kann man auf über 400 Seiten mitverfolgen. Wer als Leser weder Mutter noch Tochter ist, kann sich vielleicht schwer hineinversetzen in das Gefühlschaos der beiden. Ich kann das sehr gut, bin beides und kenne alle nur denkbaren Hürden, die einem das Leben in den Weg legt. Gerade auch deshalb hatte ich mir dieses Buch ausgesucht, das bereits im Klappentext und auf der Umschlagrückseite die Problematik anreißt, Zitat „… über tief sitzenden Schmerz, Schuld und Versöhnung…“.
Das Buch ist flüssig geschrieben, die Kapitel wechseln zwischen der Ich-Erzählerin Johanna und der Ich-Erzählerin Elsa, so werden beide Positionen deutlich, auch die Dickköpfigkeit und Ich-Bezogenheit der beiden wird nicht ausgespart.
Ich empfehle das Buch gern, weil es auch ein Buch ist, das zur Beruhigung den Garten hat, die Farben und das Licht, den romantischen Rhein und den Blick zur Burg Katz und den Duft der reifen Mirabellen, so wie man es bereits auf dem fantasievollen Cover erahnt.
Gute 4 Sterne