Wenn Schweigen schlimmer ist als die Wahrheit

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leseclau Avatar

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Ein weiteres Buch darüber, wie schwierig die Beziehung zwischen Mutter und Tochter sein kann. Und leider eins, dass mich – je länger das Lesen zurück liegt – unzufrieden zurücklässt.

Der Grundkonflikt zwischen Mutter und Tochter ist hervorragend beschrieben. Tochter Elsa fühlt sich nicht wirklich geliebt und beachtet von ihrer Mutter Johanna. Diese war selten daheim, hat aus ihrer Sicht alles für die Familie getan, was möglich war. Und doch war da immer eine Blockade, sich vollständig auf die Familie einzulassen. Eine Distanz, die spürbar war. In Rückblenden und aufwühlenden Gesprächen arbeiten Johanna und Elsa die wahren Ursachen auf, klären Missverständnisse, Verletzungen, Enttäuschungen. Alles mündet in Johannnas Erkenntnis „Mein Schweigen hat so viel kaputt gemacht“.

Melanie Levensohn beschreibt den Konflikt zwischen Mutter und Tochter sehr lebendig. In den Dialogen spürt man den Schmerz und auch wie viel Kraft es kostet, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Mir gefällt, wie die Kapitel, die jeweils abwechselnd die Perspektive von Mutter und Tochter beleuchten, ineinandergreifen.

Als störend empfinde ich die zusätzliche Erzählebene. Mit Tante Toni wird eine Person eingeführt, die beiden Frauen viel bedeutet hat und die mahnend und weise aus dem Off zu Johanna spricht. Das wirkte auf mich zu platt. Ebenso hätte ich die Details der Auslandsarbeit der Mutter nicht gebraucht. Das war mir zu plakativ und würde – nimmt man es so ernst wie angedeutet - ein eigenes Buch verdienen. So wurde eine künstliche Dramatik geschaffen, die meines Erachtens den Mutter-Tochter-Konflikt überschattet hat.