Die Gespenster der Vergangenheit

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buecherfan.wit Avatar

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Im ersten Kapitel des neuen Romans von Friedrich Ani begegnet der Leser Jakob Franck als Kind, das ungesehen Zeuge eines Streits zwischen den Eltern und des Todes seiner Mutter wird. Ein Leben lang wird er sich wegen seiner Untätigkeit schuldig fühlen.

Im zweiten Kapitel ist Jakob Franck seit zwei Monaten pensioniert. Der Kommissar hofft nun, die Geister der Toten und all die Gespenster aus den Fällen der Vergangenheit loszuwerden, die ihn tagtäglich quälen. Er hat sein Leben lang Selbstgespräche geführt und hält auch jetzt wieder stumme Zwiesprache mit den Tätern, Opfern und Hinterbliebenen der alten Fälle. Dann bekommt er mehrere Anrufe und am nächsten Tag - Allerheiligen - Besuch von Ludwig Winther. Winthers 17jährige Tochter Esther wurde vor 21 Jahren erhängt in einem Baum gefunden. Die Polizei entschied aufgrund der Beweislage, es sei Selbstmord gewesen. Ein Jahr später nahm sich Winthers Frau Doris das Leben. Ex-Kommissar Jakob Franck erinnert sich noch sehr gut an den alten Fall. Winther möchte, dass er endlich den Mörder seiner geliebten Tochter findet. An einen Selbstmord hat er nie geglaubt. Beide Männer verbindet mehr, als ihnen bewusst ist. Auch Franck hat nach der Scheidung von seiner Frau nie ein neues Leben beginnen können. Beide haben eine Zeit lang zu viel Alkohol getrunken, beide sind unendlich einsam, (“Aus dem Alleinsein gibt´s kein Zurück mehr; wenn Sie nicht aufpassen, verrecken Sie drin, wie im Alkohol auch.” S. 37).

Die Leseprobe verspricht einen interessanten, spannenden Roman. Ich schätze Ani als Autor anspruchsvoller literarischer Krimis sehr und kenne viele seiner Romane. Seinen Kommissar Tabor Süden fand ich sehr gelungen und habe mir längst seine sprachliche Marotte, eine Frage statt mit einem einfachen “Ja” mit “Unbedingt” zu beantworten, zu eigen gemacht. An die Figur des Neuen, einen beschädigten, gebrochenen Menschen, könnte ich mich gewöhnen. Anis Romane sind sprachlich anspruchsvoll, metaphernreich (“In den Augen dieses Mannes, …, nistete der schwarze Vogel Einsamkeit, …” S. 30). Der Anfang von “Der namenlose Tag” überzeugt mich genauso wie zuletzt “Süden” und “M”.