Atmosphärisch dicht gewebte Spannung

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adhara Avatar

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Nach einem Zugunglück bei tosendem Sturm mit rund 200 anderen, fremden, Menschen in einem abgelegenen Hotel einquartiert zu sein, ist an sich schon eine Situation, die an den Nerven der Betroffenen zerrt. Dann stirbt der Fussballpastor Cato Hammer - er wird ermordet. Unter den Eingeschlossenen, die durch den Sturm nicht nur von der Aussenwelt abgeschottet sind, sondern auch um ihre Sicherheit im Hotel, das den Kräften langsam nachzugeben scheint, fürchten müssen, bricht ein diffuses Gefühl von Panik aus. Gerüchte über unheimliche Vorgänge finden schnell einmal Nahrung bei den Menschen, deren Nerven blank liegen. Angeheizt durch verschiedene Stimmungsmacher droht die Situation zu eskalieren...

Anne Holt hat ein wunderbares Psychogramm einer Gruppe Menschen erstellt, die durch das Schicksal verbunden aber ohne jede Gemeinsamkeit ist. Ganz feinfühlig beschrieben schälen sich aus der Geschichte nach und nach die verschiedenen Charaktere heraus. Sei es nun die menschenfeindliche - und mit sich selber im Unreinen befindliche - Komissarin Hanne Wilhelmsen, der unzugängliche aber hochgebildete Teenager Adrian oder die Stimmungsmacherin Kari Thue, die mit ihrer Hyperaktivität die Stimmung der Anwesenden ernsthaft zum Kippen zu bringen droht, sie alle sind so beschrieben, dass man sie vor sich zu sehen glaubt.Nicht so sehr die Frage, wer denn nun Cato Hammer wirklich umgebracht hat, beschäftigt beim Lesen dieses Krimis als vielmehr die Frage, wie die Menschen diese Tage in Finse überleben sollen. Denn so mancher ist nicht das, was er zu sein vorgibt und damit knüpft Anne Holt mühelos einen Spannungsbogen, der über die ganze Geschichte hinweg nie nachlässt.

Die atmosphärisch dicht gewebte Spannung, die schon auf den ersten Seiten aufgebaut wird, lässt vor dem geistigen Auge eine Welt auferstehen, die so real und greifbar scheint. Fast ist es so, als ob man einer der Menschen wäre, die im Hotel eingesperrt sind und sich der Situation ausgeliefert fühlen. Besonders die Erzählweise der Protagonistin, die aus ihren persönlichen Problemen im Umgang mit den Menschen keinen Hehl macht, unterstreicht die Spannung.

Alles in allem ist "Der norwegische Gast" von Anne Holt ein hervorragend ausgearbeiteter Krimi, der wesentlich mehr Ansprüche an die Leserschaft stellt, als ein durchschnittlicher Krimi. Und doch ist er so geschrieben, dass es niemandem schwer fallen dürfte, der Geschichte zu folgen und sich als Teil davon zu fühlen. Ein wirklich bemerkenswertes Werk.