Der norwegische Gast

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Schon bei der Leseprobe stand ich dem Buch mit gemischten Gefühlen gegenüber. Der Schreibstil ist etwas kühl, bleibt distanziert. Von der Autorin las ich auch schon „Die Präsidentin“, auch da ging es mir so.
Der Roman liest sich aus der Ich-Erzählung der Hanne Wilhelmsen und man wird nicht ganz in ihre Überlegungen einbezogen, auch wenn sie durchaus erklärt, dass sie nicht viele Kontakte zu anderen Menschen wünscht. Allerdings hat der Roman etwas durchaus fesselndes an sich, so einfach hätte ich nicht damit aufhören können.
Gleich am Anfang ist man mittendrin im Geschehen, dem Zugunglück in den norwegischen Bergen. Bei der Beschreibung des Sturms könnte einem durchaus kalt werden, das ist meiner Meinung nach sehr gut beschrieben. Interessant auch, die verschiedenen Personen, die scheinbar alle irgendetwas an sich haben, was außerhalb der „Normalität“ ist. Ich fand es angenehm, dass sich Hanne für Adrian interessierte, leider blieb das dann irgendwie auf der Strecke. Im Nachhinein betrachtet zieht sich das durch das ganze Buch. Da entstehen zwischenmenschliche Kontakte, die dann aber nicht weiter intensiviert werden, auch und gerade von Seiten der Hanne Wilhelmsen aus.
Erst einige Seiten später wurde der Laie aufgeklärt, wer die Ich-Erzählerin ist Für mich war es etwas irritierend, wie klar gemacht wurde, dass Hanne eine lesbische Beziehung hat. Das hätte anders gemacht werden können, denn ich kam an der Stelle doch aus dem Lesefluss.

Unschön fand ich dann den Wechsel vom allgegenwärtigen „Du“, was für unsereins an sich schon gewöhnungsbedürftig war, zum“Sie“ während diverser Gespräche. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in Norwegen so üblich ist und so müsste bei der Übersetzung sorgfältiger gearbeitet werden, da es eigentlich keine große Sache ist.
Gelungen fand ich die Beschreibungen der Personen (die Geruchsentwicklung konnte ich dann fast selber riechen) und der diversen Stimmungen. Die anderen Leute, die mit im Hotel eingeschlossen waren kamen vielleicht etwas zu kurz, sie wirkten wie eine große Meute, die gewissen Leuten folgten. Aber vielleicht war das so gewollt. Gestört hat mich aber die Aussage über die typischen Norweger. Damit konnte ich so gar nichts anfangen, denn was ist typisch norwegisch. Dazu kam dann, dass die anwesenden deutschen Urlauber zufrieden waren, als sie ihr Bier trinken konnten. Das ist nun wirklich sehr klischeehaft.
Die Person der Hanne Wilhelmsen ist wirklich sehr kantig, kein Sympathieträger im herkömmlichen Sinne, was das Ganze auch wieder angenehm anders macht. Viele Dinge scheinen erst anders, als sie sind, wie das angebliche kurdische Ehepaar, der Südafrikaner. Sicherlich hat am Ende die Täterin auch das Verständnis einiger Leser, da man ihre Tat doch nachvollziehen kann.
So kommt doch einiges über das erste Mordopfer ans Licht, und ich vermute mal, dass die Autorin kein großer Freund von Religion, insbesondere der christlichen Kirche ist.
Ob die Anwesenheit der Insassen des Extrawaggons für die Handlung nun übertrieben ist? Auf jeden Fall hat es mich neugierig gemacht, wer es denn nun ist, und da hätte ich mir noch mehr Aufklärung drüber gewünscht, gerade auch am Ende.
Es werden sehr viele Zusammenhänge und internationale Verwicklungen angedeutet. Trotz dem eingeschneit sein in den Bergen verfolgt es die Leute auch dort.
Gerne wäre ich etwas mehr in die Überlegungen der Hanne Wilhelmsen eingebunden gewesen. So wurde einiges um das Mordopfer, seiner früheren Tätigkeit und der Leidtragenden erwähnt, aber die Aufklärung durch Hanne kam dann doch etwas abrupt.
Das Cover finde ich gelungen, passend. Ich frage mich, wer ist denn nun eigentlich der norwegische Gast?
Zusammenfassend hat mir das Buch gut gefallen, mehr, als ich am Anfang dachte, und würde es im oberen Mittelfeld ansiedeln (je mehr Bücher ich lese, desto weniger Bücher würde ich ganz oben ansiedeln).