Klassischer Whodunit-Comic

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Ich habe die Leseprobe begonnen - und war sofort mittendrin im Geschehen. Habe die amüsanten Dialoge verfolgt. Die Zeichnungen bestaunt. Mich gefragt, welche Figuren wohl welche Charaktermerkmale hat. Die Stimmung ist ausgelassen, locker, fröhlich - und ich hätte mich gern dazugesetzt. Es war also klar, dass ich auch den Rest lesen möchte. Gesagt, getan.

Das Originalbuch von Georges Simenon habe ich bisher nicht gelesen, aber ich war neugierig auf diese Comic-Adaption. Natürlich war mir im Vorfeld bereits bewusst, dass ich hier keine tiefen Charakterzüge oder konkret ausgefeilte Plotideen vorfinden würde. Dennoch wirkte das Lesen manchmal holprig und die Ereignisse übereilt.

Wir starten im Viertel Montparnasse und lernen Marie Baron kennen, eine junge Pariserin, die kurz darauf in einem Atelier mittels einer Morphinspritze ermordet wird. Parallel dazu macht sich die Besatzung der Polarlys in Hamburg bereit, um die Reise nach Norwegen anzutreten. Kapitän Petersen spürt, dass diese Reise anders enden wird als geplant. Er nennt es den "Bösen Blick". Und sein ungutes Gefühl soll ihn nicht trügen. Tatsächlich geschehen seltsame Dinge an Bord, und dann gibt es den nächsten Toten. Diesmal direkt an Bord des Schiffes, und Unruhe macht sich breit. Wer ist der Mörder? Wie konnte er sich so schnell verstecken? Oder ist er gar von Bord gegangen? Und steht der Mordfall in Verbindung zu Marie Baron? Mit seiner überschaubaren Anzahl an zwielichtigen Charakteren, lebt diese kurzweilige Geschichte vor allem vom Setting, also von dem räumlich begrenzten Schauplatz des Linien-Dampfers.

Im Originalwerk (entstanden 1932, »Le passager du ›Polarlys‹«), kann ich mir vorstellen, ging der Autor wahrscheinlich auf solche und ähnliche Fragen ein. Hier jedoch wirkt, wie eingangs erwähnt, alles oberflächlich, zügig angekratzt und abgespeist. Trotzdem hatte die Story was! Allein Katia Storm, eine Passagierin der Polarlys, hat mich sehr fasziniert. Ich konnte sie nicht gut einschätzen. Wusste nicht, ob sie etwas im Schilde führte, was sie wirklich dachte, mit wem sie sich so herumtrieb. Die Auflösungen um ihre Person und die Mordfälle per se, konnten mich sogar ein wenig überraschen.

Zuletzt haben die - teilweise filigranen und atmosphärischen - Zeichnungen dem Ganzen einen interessanten Schliff verpasst, sodass man gebannt Seite für Seite umgeblättert und bestaunt hat.

Der Comic ist nüchtern und einfach geschrieben, wenngleich mit einem Hauch Zeit- und Lokalkolorit, und enthält im weiteren Verlauf klug ausgearbeitete Informationen, die schließlich zur o.g. Aufklärung führen. Ein Whodunit-Krimi mit klassischer Note, der mich überwiegend gut unterhalten, aber nicht völlig überzeugt hat.