Lügenpresse und falscher Patriotismus – erschreckend realistisch

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evelynm Avatar

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Stockholm
Eine junge Journalistin wird kaltblütig in ihrer Wohnung erstochen und der Täter kann unerkannt entkommen. Es handelt sich hierbei um einen ehemaligen Küstenjäger: Carl Cederhielm plant mit seiner selbsternannten Stadtguerilla einen Rachefeldzug gegen Journalisten, die der Flüchtlingspolitik Schwedens gegenüber offen ist. Er selbst sieht sein Land durch fremde Kulturen bedroht und vor allem sein Hass auf die s.g. Lügenpresse steigt von Tag zu Tag. Mit zwei Gleichgesinnten beginnt er sein zerstörerisches Werk mit einer durchdachten Kaltblütigkeit, ohne dass Spuren zu ihm zu finden sind. Durch seine Taten löst er eine wahre Maschinerie aus, die viele Unschuldige mit in den Tod oder ins Unglück stürzt. Chile
Auf der anderen Seite des Erdballs hat sich der schwedische Ex-Söldner August als Bodyguard eines russischen Verbrechers ein neues Leben aufgebaut. Er führt mit seiner schwangeren Freundin Valeria ein relativ ruhiges Leben und möchte seine Vergangenheit hinter sich lassen. Doch zunehmend wird es für das Paar gefährlicher und August trägt sich mit dem Gedanken, in seine Heimat zurückzukehren. Allerdings wird er in Schweden gesucht wird, was die Situation erschwert.

Der Autor Pascal Engman, ehemaliger Journalist der schwedischen Zeitung Expressen, weiß sehr genau, worüber er schreibt. Das Thema Rechtspopulismus und Hass auf die s.g. „Lügenpresse“ hat ihn selber zu einem Berufswechsel bewogen. Auch er hat massive Drohungen erhalten und deshalb ist sein Buch umso spannender und sehr nah an der Realität. Das spürt man sehr schnell beim Lesen.
Besonders gut gefällt mir, dass er in den ersten 4 Kapiteln bereits ganz unterschiedliche Personen einführt, angefangen bei Hannah Löwenström und ihrer Ermordung bis hin zu ihrem Mörder Carl Cederhielm, der sich mit anderen Rechtsextremen organisiert und einen Rachefeldzug plant. Carl Ciederhelm ist absolut überzeugt von seiner eigenen Wahrheit und versachlicht Menschen, um seine Taten zu rechtfertigen. Die Erfolgsserie seiner selbsternannten Stadtguerilla ist schon beängstigend. Es ist natürlich immer spannend zu erfahren, wie die unterschiedlichen Charaktere sich entwickeln und wo sie Überschneidungspunkte haben. Dies ist dem Autor sagenhaft gut gelungen. Den Fremdenlegionär August als Bodyguard eines russischen Mafiabosses finde ich faszinierend und auch die junge Journalistin Madeleine Winther ist eine sehr interessante Persönlichkeit. Insgesamt tummeln sich in diesem Thriller jede Menge kaputte Charaktere und mittendrin steht eine liebevolle Familie, die in einen Sog aus blindem Hass zu zerbrechen droht und in Fremdenfeindlichkeit und roher Gewalt versinkt.
Der schnelle Wechsel zwischen den unterschiedlichen Handlungssträngen treibt die Handlung voran und lässt dem Leser keine Verschnaufpause. Die Geschichte ist geprägt von einem hohen Maß an Gewalt – ob Bandenkriege in Chile oder der aufkommende Rassenhass in Stockholm. Es scheint oft so, als gäbe es im ganzen Roman keinen einzigen Lichtblick. Doch das täuscht, denn die syrische Familie Chamsai ist sehr liebevoll im Umgang miteinander und auch beim ehemaligen Söldner August hält die Liebe Einzug.
Unfassbar gut finde ich, wie geschickt die einzelnen Handlungsfäden aufeinander zulaufen und sich zu einer ganzen, komplexen Geschichte miteinander verweben. Ab und zu hätte ich am liebsten geschrien: Aufhören! Die Gewaltbereitschaft und die Toten sind nur so auf mich eingestürmt. Wie ein präzise arbeitendes Uhrwerk greifen die Zahnräder (Handlungsstränge) perfekt ineinander und setzen einen wahren Strudel an Ereignissen in Gang. Dabei werden Unschuldige zur Zielscheibe von Fanatikern und einfach mitgerissen, ohne dass sie sich dagegen wehren können.
Ein beeindruckendes und erschreckend realistisches Debut! Das Szenario in „Der Patriot“ könnte jederzeit auch in Deutschland so geschehen. Ich hoffe, dass ich von Pascal Engman weitere spannende Bücher lesen darf.