Eine Frage der Ähre

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„Am allerwichtigsten ist, dass wir die Aufmerksamkeit auf das Land selbst lenken. Weil, ernsthaft, es geht nicht um die Muster oder die Kornfelder, es geht um das Land. Das Land. Es geht darum, den Menschen beizubringen, es zu lieben, damit sie es nicht einfach als gegeben hinnehmen, sondern den Drang haben, es zu schützen.“

Im Sommer des Jahres 1989 tauchen über Nacht beinahe wöchentlich spektakuläre Kornkreise auf den Feldern Südenglands auf. Während Wissenschaftler*innen noch ratlos sind, wie es zu diesen Phänomenen kommt, lässt sich die Bevölkerung zu wilden Spekulationen hinreißen – könnten außerirdische Lebensformen um Kontakt ersuchen? Nur die beiden Außenseiter Redbone und Calvert wissen mehr: sie sind der Ursprung jener Kreise und auf ganz persönlicher Mission, um sie in Perfektion zu erschaffen.

„Der perfekte Kreis“ von Benjamin Myers ist ein kurzer Roman, der sich in nur zehn Kapiteln mit der Arbeit rund um Kornkreise beschäftigt und dabei die Charaktere und Hintergründe der beiden Protagonisten knapp beleuchtet. Wie schon in seinem fulminanten Debüt „Offene See“, weiß Myers sprachlich in Gänze zu überzeugen. Seine Metaphern sind philosophisch, seine Naturbeschreibungen kontemplativ. Auf der Handlungsebene jedoch bleibt der Roman hinter meinen Erwartungen zurück. Zu langsam ist das Tempo, zu unbestimmt das Ziel der beiden Protagonisten. Redbone und Calvert sind zwar emphatische Beobachter, die nach der vollkommenen Schönheit suchen und die Natur dabei (be)wahren wollen, ihre Charaktere und Motive bleiben jedoch seltsam farblos. Obgleich die fantastische Sprache einen Lesesog bei mir erzielt hat, stellte sich doch über weite Strecken eine gewisse Eintönigkeit ein. Auch mit Fortschreiten der Handlung liegt der Fokus weitgehend auf dem Erstellen der Kornkreise selbst und verschenkt so, nach meinem Empfinden, sein Potential. Gern hätte ich mehr über die Hintergründe der Figuren, ihre (wahren) Motive, ihr Was und das Wie erfahren.

So lässt mich der Roman mit ambivalenten Gefühlen zurück: einerseits habe ich das Buch sehr gern gelesen, ich mochte die Idee, alles Philosophische, die Andeutungen, den Humor. Auf der anderen Seite kam mir die Geschichte unvollständig vor, unbestimmt, eindimensional, als wäre sie nicht vollständig erzählt worden – allerdings nur im Bezug auf die Handlung. Sprachlich ist dieses Buch nämlich so golden, wie die Prägung auf seinem Einband! Myers ist ein begnadeter Erzähler und obgleich ich nicht in Gänze von seiner Geschichte überzeugt bin, möchte ich das Buch doch den Menschen empfehlen, die ihren Alltag entschleunigen und sich dem Eskapismus hingeben wollen – die Ruhe der Worte überträgt sich beim Lesen und danach geht alles ein kleines bisschen leichter!